Zentralstadion Leipzig

Vom Stadion der Hunderttausend zum Fußballtempel

 

Von Andreas Debski, Michael Kraske, Ingolf Rackwitz und Christian Werner

 

 

ISBN 3-360-01280-1

gebunden , 192 Seiten , Verlag Das Neue Berlin 2006 – 19,90 €

 

Ein Buch über das „Stadion der Hunderttausend“, für einen Leipziger Fußballfan ist schon dessen Existenz als solche schlicht bemerkenswert. Und das vorliegende Buch hält auch alles, was man sich als interessierter Besucher der „Schüssel“ von leider längst vergangenen Fußballhighlights des 1. FC Lok versprochen hat. Hier wird die deutsche Sportgeschichte aus Sicht der Leipziger nochmal von seinen Anfängen her erzählt. Selbst die Völkerschlacht bei Liebertwolkwitz am Rande von Leipzig im Jahre 1813 spielt in der ausführlichen historischen Aufarbeitung eine Rolle, als der berühmte „Turnvater Jahn“ seine gestählten Turner in den Freikorps zum Sieg gegen die napoleonischen Eindringlinge bewegte. Und bald war die Zeit der ersten Turnfeste in Deutschland gekommen, der eigentliche Grund des Baus des Zentralstadions 93 Jahre später in der Deutschen Demokratischen Republik…

Hier wird alles bis ins Detail beleuchtet, sowohl was die reinen Fakten angeht als auch die visuellen Tatsachen in Form von beeindruckenden Bildern. Handskizzen vom Architekten belegen die frühe Vorplanung durch die DDR-Führung im Jahre 1951, Eitel Jackowski heißt der Mann, der 26-jährig nach gerade abgeschlossenem Studium mit dem Ausbau des Schwimmstadions nebenan beauftragt wird. Später folgt das große Oval, und wie aus Trümmerschutt und eigentlich nicht vorhandenem Baumaterial letztendlich das größte Stadion Deutschlands wird, ist das eigentliche Glanzwerk des Buches. Die späteren Abhandlungen über die bunten DTSB-Sportfeste, die Europapokal-Sternstunden des 1. FC Lok und die Länderspiel-Höhepunkte folgen so nebenbei, aber immer ausführlich. Georg Buschner als Nationaltrainer konnte ein Lied davon singen, wie negativ doch zum größten Teil die DDR-Bevölkerung seiner Auswahl gegenüberstand. Da musste er bei der einzig erfolgreichen WM-Quali 1973 gegen Rumänien schon zu einigen Tricks greifen, um seine Spieler vor den auspfeifenden Massen draußen zu schützen. Vor dem Bekannt geben der Mannschaftsaufstellungen musste das Tor zum Stadiontunnel fest verschlossen bleiben, erst danach liefen die Kicker aufs Feld. Es nutzte offenbar, denn man gewann dank Bernd Branschs doppelter spontaner Freistoßkunst 2:0 und fuhr ein halbes Jahr später nach Westdeutschland – der Rest, was dort geschah, ist allgemein bekannt.

Nach der Wende versuchte sich zunächst der VfB als blauweißer Nachfolger des viel bekannteren 1. FC Lok in der verwitterten Riesenschüssel, aber selbst die 1. Bundesliga schaffte es nicht, hier öfter mal großartige Stimmung aufkommen zu lassen. Es sei denn, die Dresdner Dynamos aus der sächsischen Nachbarschaft kamen oder die großen Bayern und Dortmunder. Eine Saison schaffte der VfB für die Analen der deutschen Eliteliga, dann folgte die damalige Tristesse der Zweiten Liga. Bald zog man wieder aus, ins heimeligere Bruno-Plache-Stadion an den südöstlichen Stadtrand. Das Stadion im Zentrum vergammelte nun richtig, erste Pläne zum Um- oder Neubau tauchten auf. Die ganze unheimliche und ziemlich nebulös-korrupte Geschichte in diesem Buch! Zu guter letzt die Höhepunkte nach der Jahrtausendwende, als die Neugeburt mit heftigen Wehen erfolgreich Geschichte wurde. Mit mitreißenden Bildern vom Confederations-Cup und düsteren Aussichten mit dem neuen Stadionnutzer FCS aus dem Stadtteil Leutzsch endet das Werk. nicht ohne auf ein Kapitel seiner Auferstehung einzugehen: Kreisklasse trifft Weltklasse – Lok Leipzig im Zentralstadion! Die WM fehlt aus zeitlichen Gründen, denn der Redaktionsschluss war wohl im Frühjahr 2006.

Fazit: Ein kompaktes Werk über das einmalige Bauwerk, die vier Autoren haben ihrer Leserschaft eine rundum gelungene Enzyklopädie des Leipziger Zentralstadions überlassen. Da fällt es überhaupt nicht ins Gewicht, dass der herausgebende Verlag „Das Neue Berlin“ heißt. Für jeden Leipziger Fußballfan sollte das Buch eine echte Bereicherung sein.

 

 

© Fanclub Locomotion 10/2006 - Reini

 

 

Verlag „Das Neue Berlin“ – Pressemitteilung

 

»Ein Stadion ist auch immer eine Bühne für Dramen und Helden, für Legenden und Leidenschaft«  schreiben die Autoren in ihrem Vorwort. Für das Leipziger Zentralstadion gilt das in besonderem Maße. Und zugleich können seine Mauern Zeugnis ablegen von einer wechselvollen deutschen (Sport‑) Geschichte. Schon die Anfänge sind dramatisch: Aus 1,5 Mio Kubikmetern Kriegsschutt entsteht 1956 das neue Stadion, unter freiwilliger Mithilfe Tausender Leipziger. Es wird zu einem Symbol für die junge DDR. Hier wurden die großen Turn‑ und Sportfeste mit ihren eindrucksvollen Massen­choreograflen veranstaltet, hier gewann Lok Leipzig gegen Benfica Lissabon, es wurden Rekorde aufgestellt und der Sportsgeist war hier zu Hause. Neben den vielen schönen Geschich­ten stehen aber auch schlimme. Funktionäre versuchten, Fußball am Reißbrett zu planen, ließen Karrieren scheitern, setzten mit Doping die Gesundheit der Athleten aufs Spiel. Und die Stasi überwachte die fröhli­chen Sportfeste mit Argusaugen. Nach der Wende lief ein Wirtschafts­krimi um die Sportstätte ab, die schließlich zur Investmentruine zu verkommen drohte. Das Buch bringt aufschlussreiche Details und Hintergrundinformationen.

Heute ist das Stadion komplett umge­baut und modernisiert. Ein futuristischer Fußballtempel, in dem gute Spiele die Stimmung zum Kochen bringen, wie 2005 beim Confed‑Cup. Und als eine Spielstätte der WM 2006 wird das Leipziger Zentralstadion demnächst wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken. Die Autoren legen mit »Zentralstadion Leipzig« ein rundum gelungenes Album vor, in dem ausführlich recherchierte Berichte durch die Erinnerungen vieler Beteiligter und Zeitzeugen ergänzt und bereichert werden. Viele Fotos lassen die Geschichte und die Geschichten rund um das Stadion lebendig werden.

 

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