Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder

Der Einfluß der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Fußballsport in der DDR

 

Von Hanns Leske

 

 

ISBN 3-89533-448-0

Hardcover , 640 Seiten , Verlag Die Werkstatt 2004 – 38,- €

 

Wenn sich ein Politikwissenschaftler in seiner Doktorarbeit mit obigem Thema intensiv befasst, so kann man sicher sein, umfassend über alle möglichen Details und Hintergründe informiert zu werden. Dass diese für die in der ehemaligen DDR groß gewordenen Fußballfans höchst brisante Geschichten über Intrigen, Verflechtungen und Gängeleien im Machtzentrum der SED und des MfS hervorbringt, die die jahrelange direkte Beeinflussung des DDR-Fußballs durch Partei und Staat beweisen sollen. Schon das Inhaltsverzeichnis liest sich wie das Manuskript eines Spionagefilms, z. B. „wie Erich Mielke den lästigen Zeitzeugen (Reichsbahndirektor) Willi Kreikemeyer (hatte den unter falschem Namen Leissner schon in Spaniens Bürgerkrieg spionierenden Mielke dort persönlich erlebt) beseitigte“, „den Fall Lutz Eigendorf“, „7-8-9-10-Klasse – Die DDR-Touristendelegation“ bei der WM 1974 in Westdeutschland, „Gewaltpotential in den Stadion der DDR“, „Der negativ-dekadente Anhang des BFC Dynamo“/ „…des 1. FC Union“ und „Die Schiebereien zugunsten des Berliner FC Dynamo“.

Bis ins kleinste Detail unter zu Hilfenahme aller möglichen Literatur (die Fußnotenzahlen im Text gehen pro Kapitel teils bis in die Vierstelligkeit!) wird in diesem Buch die Rolle der SED- und MfS-Funktionäre bei der Beeinflussung des Fußballs in der DDR beleuchtet – und vor allem bewertet. Bei der Fülle der belastenden Fakten ist es dabei kein Wunder, dass der Verfasser kein gutes Haar an den damaligen Entscheidungsträgern lässt. Harsche Kritik gibt es von Leske deshalb auch für aus seiner Sicht verklärende Publikationen der Neuzeit, so z. B. über das jüngst erschienene Buch „BFC Dynamo – der Meisterclub“, in dem nach seiner Sicht die Fußballgeschichte rigoros verfälscht wurde.

Auch „Das Skandalspiel 1986 – Der Schandelfmeter von Leipzig“ wird in vorliegender leicht gekürzter Dissertation auf insgesamt 12 Seiten behandelt, viele Zeugenaussagen aus verschiedensten Presseberichten sind aufgeführt, sogar Beschwerdebriefe besorgter Genossen an die SED-Führung fanden sich im Zentralen Parteiarchiv und auch die Aussage von Uli Thomale, dem damaligen Trainer des FCL: „…Es war ein inszenierter Elfmeter, der Schiedsrichter ließ solange spielen, bis er die Gelegenheit hatte, dem BFC noch den Weg zum Ausgleich zu ebnen.“ Und dann das: „Ich war nahe dran, nach diesem Betrug als Trainer aufzuhören, aber das konnte ich meinen Jungs und dem Leipziger Fußball nicht antun.“

Insgesamt ein äußerst spannendes Werk mit erheblichem Tiefgang und vielen Episoden aus unzähligen Quellen, deren Verzeichnis am Ende so umfangreich ist, dass es der Verlag einem bei Bedarf extra zuschicken muß.

© Fanclub Locomotion 07/2005 - Reini

 

 

Verlagsinformationen:

 

Fußball in der DDR…

- das ist nicht nur eine Geschichte des Sports, sondern zugleich die Geschichte schier unglaublicher Einflußnahme und Pressionen seitens des SED-Regimes, vor allem durch das Ministerium für Staatssicherheit. Spieler wurden zwangsdelegiert, ebenso Trainer und sogar ganze Vereine. Willfährige Schiedsrichter sorgten für genehme Ergebnisse und unliebsame Akteure wurden in niedere Spielklassen verbannt. Stasi-Chef Erich Mielke hielt sich mit dem Berliner FC Dynamo nicht nur seinen eigenen Verein. Aus panischer Angst vor regimekritischen Spielern und "Republikflüchtlingen" überzog er den gesamten Fußballsport mit einem ausufernden Überwachungs-  und Spitzelwesen. Dr. Hanns Leske hat jahrelang in Vereins- und Stasi-Archiven geforscht, zahlreiche Interviews mit ehemals Aktiven geführt und eine beeindruckende Fülle von Material zusammengetragen. Seine Untersuchung ist die erste wissenschaftlich fundierte Arbeit über die systematische Überwachung des Fußballsports in der DDR. Gleichzeitig ist das Buch aber auch eine spannende Beschreibung des teilweise sehr erfolgreichen Fußballs in der DDR, vom ersten bis zum letzten Spieltag. Abgerundet wird das Werk von einem in dieser Form bisher einmaligen Spielerlexikon, in dem über 500 ehemalige Akteure portraitiert werden.