Saison 1987/88

19.03.1988  FC Hansa Rostock - 1. FC Lok  1:1

 

 

 

Nachdem unser 1.FC Lok nach Jahren mal wieder beim BFC gewann (2 : 0) und so mit dem „Rekordmeister“ nach Punkten gleichzog, bestand die realistische Chance, erstmals DDR-Fußballmeister zu werden. Das nächste Auswärtsspiel war in Rostock. Da musste ich natürlich hin!

Mit einem Kumpel traf  ich mich am Freitag Abend gegen 20 Uhr und wir fuhren nach Stötteritz in eine Kneipe. Dort warteten schon 3 weitere Lokisten und der Abend wurde feuchtfröhlich eingeläutet. Nach gut 2 Stunden antrinken ging es gemeinsam zur „Bimmel“ und mit dieser dann auf den Hbf. Dort stellten wir fest, das viele Gleichgesinnte dieselbe Absicht hatten, sodass gegen 23 Uhr ungefähr 300 Lokisten anwesend waren.

Kurz danach wurde es laut, denn ein Zug aus Dresden fuhr ein und darin kamen die Magdeburger von ihrem Freitag Abend Auswärtsspiel bei Dynamo. Da diese noch nie zu unseren Freunden zählten, ließen es sich einige nicht nehmen, dies denen noch einmal mit Nachdruck mitzuteilen. Dies geschah nicht nur verbal, sondern wurde auch schlagkräftig unterstützt. Die Trapo hatte alle Hände voll zu tun, die Kontrahenten zu trennen. Leider wurden schon hier die ersten angehenden Rostock-Fahrer verhaftet und an ihrer Reise gehindert.

Nach diesem kurzen „Kulturprogramm“ begaben wir uns zu unserem Zug, welcher gegen Mitternacht fahren sollte. Auch dort gab es unter einigen „Aufgeheizten“ und der Trapo weitere „unschöne Szenen“. Wieder wurden einige von der Fahrt nach Rostock abgehalten und verhaftet.

Endlich fuhr der Zug ab und die auf dem Bahnsteig stehende Polizei wurde zum Abschied mit Konfetti (Flaschen, Knaller und anderen Gegenstände) beworfen. Im Zug herrschte gute Stimmung, die durch Unmengen Alkohol noch gesteigert wurde. Die Leipziger Polizei muss jedoch die Dessauer Polizei über ihr erlebtes Inferno unterrichtet haben, denn nach der Einfahrt in den dortigen Bahnhof begann deren Polizei erneut Einige aus dem Zug zu holen. Dies wurde von weiteren „unschönen Szenen“ begleitet, wobei Beteiligte beider Seiten Federn lassen mussten. Leider wurden wieder ein paar Lokisten an der Weiterfahrt gehindert und festgenommen.

Auf Grund des reichlichen Alkoholgenusses und der vorgerückten Zeit beruhigten sich anschließend die Gemüter und die meisten gingen zur kurzen Nachtruhe über.

Gegen 6 Uhr und kurz vor Rostock erwachte ich mit schwerem Kopf.

Die Einfahrt in hiesigen Bahnhof wurde mit brachialen Gesängen „Deutscher Meister, Deutscher Meister, Deutscher Meister FCL“ begleitet. Natürlich erwartete uns auch da schon die hiesige Polizei.

Lautstark verließen wir am frühen Samstag Morgen den Bahnhof. Nun galt es, etwas Proviant für den Tag und die Rückfahrt zu besorgen Tatsächlich hatte gegen 7 Uhr schon eine Kaufhalle in der Nähe des Bahnhofs auf und Dutzende Lokisten drängten herein. Neben etwas zu mampfen legte ich mir natürlich auch einige Biere in den Einkaufskorb. Eine „nette“ Verkäuferin schnauzte mich an der Kasse an „Sie bekommen keinen Alkohol und wenn sie einen Aufstand machen, hole ich die Volkspolizei!“ Die lauerte vor der Kaufhalle und wartete wahrscheinlich nur auf solche Einsätze.

So freundlich umgestimmt musste ich also noch etwas auf mein Morgenbier warten. Anschließend ging ich mit meinem Kumpel zurück zum Bahnhof und wir fuhren mit der S-Bahn nach Warnemünde. Dort schlenderten wir den ganzen Vormittag an der Ostsee entlang. Gegen Mittag fuhren wir zurück nach Rostock. Natürlich vergaßen wir nicht, uns für die Rückfahrt mit reichlich Proviant (jetzt bekamen wir auch wieder Getränke) einzudecken. Dies deponierten wir in einem Schließfach.

Anschließend gingen wir zum Stadion. Wir staunten nicht schlecht, denn es waren über 500 Lokisten, die den weiten Weg an die Küste auf sich genommen hatten.

Das Spiel verlief nicht so nach unseren Vorstellungen. Hansa ging in Führung und wir hatten Glück, das diese nicht noch ausgebaut wurde. Trotzdem schafften wir noch den Ausgleich, der natürlich frenetisch bejubelt wurde. Bei diesem 1 : 1 blieb es bis zum Abpfiff.

Nach dem Spiel wurden wir Lokisten von der Volkspolizei eingekesselt und wir wurden unter derem Geleitschutz zum Bahnhof getrieben. Mehrfach versuchten Rostocker an uns heran zu kommen, was jedoch die Bullerei zum Großteil unterband. So gab es nur ein paar kleinere Scharmützel.

Auf dem Bahnhof angekommen holten wir unsere gut gefüllten Taschen aus den Schließfächern und stürmten den bereit stehenden Schnellzug nach Leipzig. Die „normalen“ Fahrgäste waren über unsere Anwesenheit natürlich wenig begeistert. Dann ging es zurück nach Leipzig. Trotz verlorenem Punkt (oder war es ein gewonnener!?) herrschte im Zug gute Stimmung. Bereits kurz hinter Schwerin schlief ich total übermüdet, sowie von den Strapazen und reichlich Alkohol gezeichnet, ein.

Erst kurz vor Leipzig weckte man mich. Die Einfahrt in den Hbf und die anschließenden Schlachtgesänge, die dort herrlich hallten, waren wie immer mit das Schönste von Auswärtsfahrten.

Total geschafft kam ich nach Mitternacht wieder in Holzhausen an.

 

Resümee: Leider fehlte uns am Ende eventuell genau dieser eine Punkt, um erstmals Meister zu werden, denn mit nur einem Punkt mehr, wären wir DDR-Meister der Saison 1987/88 geworden! Alles in allem war dieses Auswärtsspiel jedoch eines der schönsten Erlebnisse, die ich in meiner langen Zeit als Lokist erlebte.

 

Gelb blaue Grüße

 

Udo (UKW)