Endlich! Lok Leipzig ist in der 2. Bundesliga!

 

Sonntag, 23.06.1991 

1. FC Lokomotive gegen Stahl Eisenhüttenstadt  3:0 (2:0)

 

Wohin man an diesem Fußball-Sonntag auch blickte, überall war die Begeisterung riesig. Sei es schon in der Straßenbahn, beim Kassenansturm am Stadion und beim Fan-Report-Verkauf – hier wollte jeder blaugelbe Fan, der was erleben wollte, dabei sein.

Wenn man wie ich meist schon zwei Stunden vor Beginn hier das Treiben beobachten konnte, lachte einem das Herz. Auch der Fan-Report mit der aktuellen Nummer 20 präsentierte sich unter dem Motto „Oberliga, nie mehr, nie mehr!“ aus gegebenem Anlaß – keiner zweifelte an diesem Tag am erfolgreichen Ausgang dieses Relegations-„Endspiels“ für uns gegen die auswärtsschwachen Hüttenwerker.

 

 

Unzählige Fans hatten sich heute blaugelb in allen Variationen ausgerüstet und Trommeln, Fahnen und sonstiges „Handwerkszeug“ dabei. Nach dem Tor-Doppelschlag durch Dirk Anders-Superstar herrschte eine Dauer-Party-Stimmung, wie man sie hier an dieser heiligen Stätte bisher noch nicht erlebt hatte. Es wurde zur Gewissheit – LOK SCHAFFT’S !!!

 

 

Die Pause schien eigentlich überflüssig, so gut waren FCL-Team und Fans heute drauf. Auch die Leute im gesetzten mittleren Alter klatschten rhythmisch mit, denn das schadet ja nicht mal Herzkranken.

 

 

Als das 3:0 von Matze Liebers fiel, waren die Massen nicht mehr zu halten, jeder wollte zum Spielfeld. An den Werbe-Aufstellern – nie waren sie so nützlich wie heute - klebten die Fans, umsäumten so das laufende Spiel. Gegenüber neben dem Spielertunnel hatte die unvermeidliche Hool-Fraktion längst die Zäune überklettert und direkt neben der Trainerbank Aufstellung genommen. Aber keiner stürmte vor dem Schlusspfiff das Spielfeld, jeder wollte seine Helden heute nur feiern.

 

 

Dann der an diesem Tage letzte Pfiff des Schiri – Sieg, 2. Liga, Sturmlauf der Fans! Von erhöhter Stelle konnte man das direkte Zusammentreffen Spieler – Fans optimal erleben und bildlich festhalten, freudetrunken versank das Plachestadion im Jubelmeer. Trainer Sundermann wurde von RTL fürs Frühstücks-TV eingekreist, gab anschließend auf der Pressekonferenz in zwei Minuten seine Motivationskünste preis („Zuschauer sind SUPER mitgegangen“ und „für den künftigen VfB gäbe es große Möglichkeiten der Identifikation“).

 

 

Da die Freibier-Zapfstellen restlos belagert waren, zog man es mit ebenso Bierdurstigen wie Löwen-Micha, Löwen-Jokel und Nadel-Jochen vor, in die angrenzende Gartenkantine zu „flüchten“. Nach ersten Löschversuchen ließ man es sich dann nicht nehmen, den Ort des Jubelfestes noch einmal aufzusuchen. Auf dem arg strapazierten Rasen wurde gesungen, für’s Fotoalbum posiert, gekickt und ausgiebig abgefeiert, grad so laut wie die „geschlossene Gesellschaft“ im Casino. Die nächste Runde unserer Feierlichkeiten fand im Biergarten in Probstheida statt, hier verlor man sich pausenlos in Selbstverherrlichungstiraden und Jochen sorgte sich um unseren und seinen Gerstensaft-Nachschub. Bei passender eigener Fanmusik taumelte man in Polonaise-Manier über die Wiesen, Gartenstühle und was sonst noch in den Weg kam. Das bestellte Essen ließ länger auf sich warten, aber dafür langten die zwei Teller Spaghetti mit Tomatentunke aus der Küche des benachbarten Nobel-Restaurants gleich für acht Fans, die einfach lange Finger machten…

 

 

Als alle genudelt waren, machte ich den grandiosen Vorschlag, doch mal am ASTORIA vorbei zu schauen, wo die Spieler ihre Fete machen sollten. Mit der Tram ging es also ins Stadtzentrum, dort am Portal des Ersten Hotels der Stadt traf man gegen halb zehn Uhr auf ein Freudentaumel von bekannten Fans und Spielern, man stürzte sich ins allgemeine Getümmel. FCL-Ikone Edi lotste mich und ein paar Fans einfach in die noble Gastlichkeit, und nach Edi’s Werbepower für den Fan-Report wollte jeder der Matchwinner auch gleich die neueste Nummer selber anschaun, kein Problem. Mit Ronald (Kreer), Hobscher, Jörg (Engelmann), Rudi (Heyl), Pelle (Pellmann), Bino (Bredow), Matze (Liebers) ließ es sich fantastisch plaudern, was nur die superlaute „Hintergrund“-Musik verhindern wollte. Gelegentlich tauchten weitere Gesichter aus dem Nebel auf, der Gin-Tonic verfehlte seine Wirkung nicht. Ich konnte sie aber als Schreiberlinge identifizieren, vom Express und der unvergessenen „Wir in Leipzig“. Karsten Männig von letzterer Tageszeitung hatte seinen fertigen Spielbericht schon höchstpersönlich in der Tasche! An Matze Liebers’ Tisch wurde erst verschüttet, dann weiter geschüttet, die Talkshow ließ nichts zu wünschen übrig, kein Thema rund um Lok wurde hier wohl ausgelassen.

Und weit nach Mitternacht, nachdem auch das Kalte Büfett meinen Besuch gewürdigt hatte, taumelte ich in einer Wolke aus Alk-Nebel und WONDERFULL-NIGHT-Dreaming zur Straßenbahn-Haupt-Sammelstelle. Sicher wurde ich in den Wagenzug geleitet – von FCL-Ordnern!

 

Fazit: Dieser Einzug in den gesamtdeutschen Profifußball wurde überall in dieser Stadt an diesem Tag gefeiert – eigentlich konnte kein Pokalsieg, keine Europapokal-Finalteilnahme und kein Super-Auswärtsspiel diesen Sieg unvergesslicher in die Vereinschronik einziehen lassen.

 

© Reinhard Teschner, FC LOCOMOTION

 

 

Presseartikel zu diesem Spiel:

 

… Danach konnten es die Fans kaum mehr erwarten, ihre Lieblinge in die Arme zu schließen. Die Hooligans überstiegen die Zäune – und setzten sich artig auf die Aschenbahn. Zehn Minuten vor dem Ende wurden die Fluchttore geöffnet. Ein Spalier in Blau-Gelb versüßte den Lok-Kickern die letzten Augenblicke der Relegation. Dann der Schlusspfiff. Tausende stürmen auf den Rasen, erkämpfen sich Trikots und Autogramme. „Solch eine Begeisterung habe ich lange nicht mehr erlebt. Das wird auch in der 2. Liga so sein“, freute sich ein erschöpfter Uwe Bredow.   EXPRESS

 

Mit dem 3:0 gegen Eisenhüttenstadt endet in Leipzig die 15 Jahre und 5 Monate währende Ära des 1. FC Lok. Ab 1. Juli (1991) trägt der Verein wieder den Namen des ersten deutschen Fußball-Meisters (1903) VfB.   EXPRESS

 

Schlusspfiff im Bruno-Plache-Stadion: 2000 Fans stürmen den Platz, reißen den Lok-Stars die Trikots vom Leib. Fußball-Freudentaumel bei 30 Grad im Schatten!

… Noch vor der Pause bringt ein Doppelschlag von Dirk Anders die Vorentscheidung:

30. Minute: Bredow flankt von rechts, Hobsch köpft an den linken Pfosten. Mittelstürmer anders staubt aus 8 Metern ab – 1:0!

35. Minute: Halata zieht auf und davon und ab: Pfostenschuß, aber Anders bedankt sich – 2:0!

68. Minute: Nach dem Wechsel bäumt sich „Hütte“ erst gar nicht mehr auf. Der überragende Matthias Liebers setzt mit einem 16m-Schuß den Schlusspunkt. Die Fans tanzen Polonaise am Spielfeldrand, klatschen dem Lok-Trainer zu: „Sundermann, wir danken Dir!“     BILD-LEIPZIG

 

Tausendfache Freude in Probstheida – der 1. FC Lok Leipzig spielt in der nächsten Saison als VfB Leipzig in der 2. Fußball-Bundesliga.

Im Endspiel der Relegationsgruppe 2 gewannen die Blaugelben vor über 5.000 begeisterten Zuschauern gegen Eisenhüttenstadt klar mit 3:0, wobei Anders (2) und Liebers die Leipziger Tore schossen. Nach dem Schlusspfiff gab es kein Halten mehr- die Fans stürmten den Platz und feierten ihre Spieler. Im Anschluss an das Spiel wurde im Bruno-Plache-Stadion Freibier für die Fans ausgeschenkt.

Die Sponsoren und Honoratioren zogen am Abend in das Hotel „Astoria“, wo die offizielle Aufstiegsfeier vonstatten ging. Der sichtlich aufgewühlte Lok-Präsident Dr. Karl Drößler führte in seiner kurzen Aufstiegsrede ein japanisches Sprichwort ein, das wohl am treffendsten ein Fazit der abgelaufenen Saison zieht. Da heißt es sinngemäß: „Du kannst siebenmal hinfallen, aber Du musst achtmal wieder aufstehen.“ Donnernder Beifall von allen, die gemeinsam mit Lok achtmal wieder aufgestanden sind. Schnell war der offizielle Teil vorbei, und noch ziemlich lange ging es im „Astoria“ hoch her.   WIR IN LEIPZIG

 

Polizei auf Sachsenplatz

Zu Handgreiflichkeiten kam es am gestrigen Abend  zwischen rund dreißig Fußballfans, die den Aufstieg des 1. FC Lok in die 2. Bundesliga feierten, und rund 80 Polizisten und Angehörigen des Bundesgrenzschutzes auf dem Sachsenplatz.

Die Jugendlichen, die zum Teil unter Alkoholeinfluss standen, hatten Biergläser zerschlagen und Passanten belästigt. Personen wurden nicht verletzt.

Die Polizei war bereits ab Mittag mit Streifen in der City.   LEIPZIGER TAGEBLATT