Samstag, 24.05.2014  Hertha BSC 2. - 1. FC Lok Leipzig  1:1 (0:0)

Alles schonmal da gewesen. Oder doch nicht? Vor sechzehn Jahren sahen wir in Probstheida zum ersten Mal in das große schwarze Loch für Fußbalfans. ABSTIEG! Wattenscheid hatte dem VfB Leipzig am letzten Spieltag ein 0:0 abgetrotzt. Den wahllos eingekauften betagten Bundesliga-Söldnern in den Leipziger Reihen lag mehr an eigener (Ablöse-) Freiheit bei Abstieg als an der Rettung des Vereins. Jeder der über 10.000 Stadionbesucher, der damals im Bruno dabei war, wird sich an dieses Gefühl der absoluten Leere erinnern. ein einfaches 1:0 hätte den Verbleib in der Zweiten Bundesliga bedeutet...
Samstag in Berlin, am großen Olympiastadion. Über 3000 Leipziger machen intensive Werbung für ihre Stadt, für ihren heißgeliebten Verein. Sie sind voller Zuversicht, hoffen, bangen, wünschen ihrem FCL diesen Sieg bei der kleinen Hertha so sehr. Er soll das I-Tüpfelchen auf eine grandiose Aufholjagd in der Regionalliga-Rückrunde werden. Das Spiel zeigt Abstiegskampf pur, auch die Berliner wissen um die Abstiegsgefahr. Sie bestimmen den Rhythmus zunächst, dann kommt auch LOK zu Torgelegenheiten, vor der Pause passiert aber nichts. Dann kommt Hertha wieder besser ins Spiel - und macht das überraschende 1:0. Die LOK rappelt sich auf und kommt wieder mit mehr Dampf, auch weil Heiko Scholz sofort neue frische Leute bringt. Er lebt LOK mit jeder Faser und jeder seiner wilden Locken, jubelt auch nicht sichtbar über den Ausgleich. Den hat Pattrick Grandner regelrecht erzwungen mit einer Top-Einzelaktion. Die Fans ringen um Fassung, viele hängen auf dem Trennungszaun und peitschen das Team weiter vor. Noch 15 Minuten bleiben, um den Lucky Punch zu setzen. Engler und Rolleder und Marzullo - sie alle schafften es leider nicht mehr bei ihren Superchancen für das rettende 2:1...
Die Live-TV-Bilder der MDR-Konferenz belegen: LOK fehlten an diesem Nachmittag nur Millimeter und Sekunden an der großen Rettung. Fanatisch und fantastisch dazu die riesengroße Fanschar ringsum das Olympiaparkgelände, die bis zum letzten Atemzug der Saison mit ihrem Team feierten, litten und - am Ende wieder feierten. Schon dieses Finale auf dem Rasen im TV zu verfolgen war ein prickelndes Erlebnis. Die Akteure auf dem Platz dagegen konnten das sogar hautnah erleben. Das  verschweißt für lange Zeit - es kann jedem Lokisten um diesen Verein nicht Bange sein!
RT

Amateurstadion Olympiapark Berlin:  7.789 Zuschauer
Schiedsrichter: Eugen Ostrin
1:0 Stephan (53.), 1:1 Grandner (76.)



+++ PRESSESCHAU +++

Lok verpasst das Wunder und muss hoffen
Die Regionalliga-Saison 2013/2014 ist für den 1. FC Lok mit einer Enttäuschung zu Ende gegangen. Trotz starker kämpferischer Leistung kamen die Probstheidaer im Abstiegsendspiel bei Hertha II nicht über ein 1:1 (0:0) hinaus. Vor 3.789 Zuschauern, darunter 3.000 mitgereiste Lok-Fans, traf Grandner zum Ausgleich. Lok muss nun auf einen Relegationserfolg der TSG Neustrelitz hoffen. Selbst Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus kommentierte das Ausscheiden.
Da war er wieder, dieser leidenschaftliche Kampf, der Glauben an ein Wunder. Als Patrick Grandner in der 76. Minute mit seinem Tor das Amateurstadion von Hertha II auf seine Grundfesten testete, war das Wunder von Probstheidaer wieder möglich. Grandner, bis dahin kaum in Erscheinung getreten, umkurvte nach klugem Pass von Dustin Scheibe seinen Gegenspieler und traf diesmal mit links. Sein Tor war allerdings nur der Ausgleich zum 1:1, nachdem die Hertha nach 53 Minuten verdient durch Kevin Stephan in Führung gegangen war. Stephan drehte sich überragend um Sebastian Dräger, der für Paszlinski in der Innenverteidigung stand, und nagelte den Ball per Dropkick Richtung Tor. Keine Chance für Latendresse-Levesque im Lok-Kasten. Der Kanadier hatte allerdings Glück, dass er nicht schon viel früher die Kugel aus dem Tor holen musste. Hertha begann spritzig, willig und körperlich stark. Nichts war von nervlichen Problemen zu sehen, auf die Lok-Trainer Heiko Scholz gehofft hatte. Schon nach 15 Minuten hatte sein Team Glück, dass Marcel Trojandt, der überraschend nach überstandener Bänderverletzung links verteidigte, nicht nach Notbremse vom Platz geflogen war.
„Wir wollten unser Ding durchziehen, von daher war es uns egal, wie Hertha hier antritt. Dass man gegen diese Teams mit Härte beeindrucken kann, ist lange her. Die sind absolut austrainiert“, kommentierte Lok-Kapitän Markus Krug den Offensivdrang der Gastgeber. Der Kapitän kauerte nach Abpfiff auf der Trainerbank. Lok hatte rund 30 Minuten gebraucht, um auch mal die wichtigen Zweikämpfe im Mittelfeld zu gewinnen und selbst zu Chancen zu kommen. Die größte verballerte Sebastian Zielinsky, der nach Marzullo-Ablage aus 14 Metern nur das Außennetz traf. Auch zu Beginn der zweiten Halbzeit legte die Hertha ordentlich los, zwang Lok zu Defensivarbeit und traf durch Stephan. „Nach dem 0:1 mussten wir zwei Tore machen, das war gegen die gut organisierten Berliner schwer.“, so Krug. Die Gäste brauchten zehn Minuten, um den Rückstand zu verdauen. Hertha verlegte sich aufs Kontern und musste nach Grandners Ausgleichstreffer plötzlich wieder Zittern. Angriff um Angriff rollte auf Sascha Burchert im Hertha-Tor. Wie schon gegen Neustrelitz arbeiteten die Leipziger an einem Wunder, angefeuert von circa 3.000 Gästefans im ausverkauften Amateurstadion von Berlin, die ihren Teil zur Schlussoffensive beitrugen. Vor allem Rolleder geriet mehr und mehr in den Fokus. Der Kopfballspieler legte einmal für Marzullo auf, der klar verzog (83.) und hatte dann selbst kurz vor dem Schlusspfiff die Riesenchance zur Führung. Nach Grandner-Eingabe rutschte der Routinier in den Ball, bekam ihn aber nicht ins, sondern nur aufs Tor. „Der Ball springt direkt vor mir auf, da konnte ich nicht mehr richtig hin.“, so Rolleder, der sich kurz vor Ultimo noch den Ellbogen aufgerissen hatte und anschließend enttäuscht vom Platz schlurfte. „Eins ist mal klar: Abgestiegen wären wir nicht heute. Bei Hertha II einen Punkt zu holen ist gut. Die Hinrunde hat uns das Genick gebrochen, das konnten wir nicht mehr gerade biegen.“ In der Tat: Der Hertha-Nachwuchs präsentierte sich bärenstark, ließ die Frage unbeantwortet, wieso auch Hertha an diesem Tag gegen den Abstieg kämpfen musste. Und Lok hat mit 24 von 45 möglichen Punkten in der Rückrunde viel richtig gemacht, hat seit Februar (28.2. 0:2 beim VfB Auerbach) auswärts nicht mehr verloren, ist seit sieben Spielen ungeschlagen. „Die Mannschaft hat das letzte halbe Jahr unglaublich hart gearbeitet. Riesenkompliment an das Team. Und weil harte Arbeit belohnt wird, steigen wir auch nicht ab“, so Lok-Trainer Heiko Scholz, dessen Vertragsverlängerung morgen bekanntgegeben werden soll. Am Mittwoch, 28. Mai, und am Sonntag, 1. Juni, spielt der Erste der Regionalliga Nordost Neustrelitz mit dem Zweiten der Südwest-Staffel, Mainz 05 II, einen Aufsteiger in die 3. Liga aus. Sollte Neustrelitz aufsteigen, wäre Lok doch noch gerettet. „Das ist unser Plan B, aber wenn der greifen würde, wäre das zwar schön, aber nicht so schön, wie heute den Nichtabstieg zu feiern“, so Lok Kapitän Krug traurig. Selbst Rekordnationalspieler Lothar Matthäus nahm Anteil an Loks Schicksal und twitterte Samstagnachmittag: „Bitteres Unentschieden für meinen Ex-Club Lokomotive Leipzig.“ Kann man so stehen lassen
Stimmen zum LOK-Saisonfinale:
Kapitän Markus Krug: „Wir sind ernüchtert. Hertha hatte auch ein Endspiel, von daher war das auch ein ganz anderes Spiel als die vorherigen. Und es ist eben nicht mehr wie früher, dass man die zweiten Mannschaft mit Härte beeindrucken kann. Die sind austrainiert. Das 1:0 hätte nicht fallen dürfen, da mussten wir zwei schießen. Dass wir immer für ein Tor gut sind, haben wir ja in der Rückrunde gezeigt, aber innerhalb der paar Minuten zwei Tore zu machen, war schwer, weil Hertha auch so gut gespielt hat. Uns schenkt diese Saison keiner was. Wenn wir gewonnen haben, haben die anderen auch gewonnen. Wir mussten auf uns schauen. An der Einstellung gab es nichts zu meckern. Alle haben den Abstiegskampf angenommen, aber es hat eben nicht gereicht. Jetzt müssen wir auf Plan B hoffen, also auf Neustrelitz. Wir drücken beide Daumen, damit wir nächstes Jahr wieder Regionalliga spielen. Wenn Plan B eintritt, wäre das nicht vergleichbar mit einer Nichtabstiegsfeier heute. Wir hatten es selber in der Hand, haben uns über Wochen ran gekämpft, aber auch schon lange am Limit gespielt. Dazu haben wir knifflige Spiele gedreht, aber heute sollte es eben nicht sein.
Trainer Heiko Scholz: „Heute kann man der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Sebastian Dräger hat Paszlinski ordentlich vertreten, auch wenn man ihn nicht ganz ersetzen konnte. Was die die letzten Wochen geleistet haben, war phänomenal. Es ist schade. Wir haben alles rausgeholt und gut gearbeitet. Ich bin überzeugt, dass das durch Neustrelitz belohnt wird. Morgen werde ich mich zu meiner Zukunft äußern. Rolles Chance wäre das Ding gewesen, wenn er den rein bekommt. Aber so ist es eben im Fußball. Wir sind noch nicht abgestiegen. Toll, wie die Fans die Mannschaft mit Applaus verabschiedet haben. Für die Oberliga haben wir auch schon Planungen, 14 Spieler haben Verträge für Oberliga und Regionalliga.“
Schatzmeister Jens Kesseler: „Wir haben den Plan für die Oberliga in der Schublade. Ich rechne aber nicht mit großen Veränderungen. Ein paar Sponsoren würden vielleicht aufhören, aber die meisten haben signalisiert, dass sie ligaunabhängig weitermachen. Der Teametat würde vielleicht etwas sinken (derzeit 350.000 Euro/Anm. d. Redaktion). Ich hab auch im Gefühl, dass ETL dabei bleiben wird. Die rechte Hand von Chef Franz-Josef Wernze war auch im Stadion. Sie wissen ja, dass sie bei Lok etwas aufbauen können. Falls wir absteigen würden, müssten wir die Zeit auch nutzen, mehr Ruhe in die Strukturen reinzubringen.“
(Quelle: L-IZ vom 24.05.2014 - von Marko Hofmann)