Sonntag, 24.10.2010  VfB Stuttgart - FC St. Pauli Hamburg  2:0 (1:0)
Erste Bundesliga - 9. Spieltag

Traditionen sind wichtig im Fußball, aber auch sonst im Leben. So sind einige Mitglieder unseres Fanclubs regelmäßig im Herbst zu Gast bei Jürgen in Stuttgart. Hier brennt ja in diesem Jahr nicht nur beim VfB in der Bundesliga wegen permanenter Erfolglosigkeit der Baum - mit der Trainerentlassung Christian Gross als negativem Höhepunkt. Nein, auch die Bürgerproteste rund um den Bau des neuen Hauptbahnhofs bringen die baden-württembergische Landeshauptstadt derzeit fast täglich in den Fokus der Medienöffentlichkeit. Dieses bunte Treiben wollte man sich natürlich ebenso ansehen wie das Bundesligaspektakel im Neckarstadion. Das heißt ja jetzt Mercedes-Benz-Arena und befindet sich seit Monaten im Umbau. Was die Fans hier auch mit gemischten Gefühlen sehen. Aber der Bau ist schon weit fortgeschritten, die Untertürkheimer Kurve - traditionell den Gästefans reserviert - ist bereits komplett fertig. Gegenüber klafft allerdings noch ein riesiges Loch im Stadionrund, hier entsteht im Laufe der Saison die neue Cannstadter Heimfankurve. Die meisten VfB-Fans haben ihr Domizil deshalb eben in der sonstigen Gästekurve, direkt neben der VIP-Tribüne. Die Pauli-Fans, heute bestimmt 1500 Mann/ Frau stark, durften ihr Team neben der Gegentribüne anfeuern, ein schmaler Kurvenbereich hoch vergittert war für die Gäste eingerichtet. Wir hatten unsere Plätze direkt dazwischen, in der letzten Reihe des Unterrangs. So konnte man gut die Dauergesänge der Hamburger verfolgen, bei deren verschiedenen bekannten Fanmelodien eines textlich immer gleich war - “Sankt Pauli!”. Die heimische Fraktion der Schwaben ließ sich allerdings auch nicht lumpen und feuerte aus dem Unterrang gegenüber ihr rotweißes “Vau-Eff-Beh“-Team gut an, große Schwenkfahnen und Schals prägten zudem das Bild. Auf dem tiefer gelegten Rasen der Benz-Arena - die Leichtathletik-Laufbahn ist einer rechteckig und schmaler gehaltenen Form unterhalb der Ränge gewichen - spielte sich das Geschehen überraschenderweise mehr in der Stuttgarter Hälfte ab. Pauli machte viel Druck, sodass der VfB zunächst nur hinterher lief. Aber ein Standard vor dem Paulitor brachte die Führung, nach einer Ecke schlug ein Kopfballtreffer im Gehäuse ein - Jubel in der Arena und Erleichterung bei uns. Wie immer nach einem Tor war’s fortan ein anderes Spiel, viel intensiver, besonders von den Stuttgartern. In der Pause wandelte man im neuen Zwischenrang herum. Ohne allerdings persönlichen Interessen nachgehen zu können. Die tollen Toilettenanlagen entpuppten sich als völlig überfüllt, weil viel zu klein konzipiert. Und auch die Imbissstuben krankten am Konzept des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, mit neuer Fancard, die man zwar an Extra-Terminals erwerben oder aufladen konnte, aber nur mit mindestens 15 €. Für Bier-Gourmets außerdem unentschuldbar, dass jetzt nur alkoholfreies ausgeschenkt wird. Nun, man wird sehen, ob dieses schon in anderen Bundesliga-Arenen seit längerem praktizierte Abzockermodell sich hier durchsetzt. Eigentlich sollten die Fans selber abstimmen, quasi mit den Füßen, eben mal auf die obligatorische Pausenstärkung verzichten -so wie ich heute. Dann die zweite Halbzeit, beide Teams im höchsten tempo mit guten Gelegenheiten. Einmal musste Stuttgarts Tasci in höchster Not auf der Linie zirkusreif klären, dann aber die Entscheidung. Kurz nach seiner Einwechslung spielte Marica auf Kuzmanovic, der das 2:0 erzielte. Mit dem Stuttgarter Fanblock zusammen feierte er das trikotbefreit und bald darauf ertönte der Schlußpfiff - unter der Kategorie Arbeitssieg durfte der VfB heute diesen Erfolg und drei Punkte auf dem ansonsten recht mageren Konto der Bundesligatabelle verbuchen.
Der Abmarsch der Fanblöcke gestaltete sich durch die Umbaumaßnahmen sehr schwierig, da beide Truppen am selben Ausgang raus mussten. So ging es hinter dem Stadion rum, wir vier durften dabei mitten durch die frustrierten Pauli-Anhänger wandern, die fast stumm zu ihren am Straßenrand geparkten Fanbussen liefen. Ein paar mussten wie wir allerdings auch zum Stuttgarter Hauptbahnhof, also quer durch Bad Cannstadt bis zur Stadtbahnhaltestelle. Eine halbe Weltreise durch die Sonntagabenddämmerung war endlich zu Ende für uns, als die U1 am Wilhelmsplatz erschien. Der Sieg wurde anschließend bei Jürgen zünftig gefeiert.
RT

Mercedes-Benz-Arena Stuttgart
Zuschauer: 40000 (ausverkauft)
Schiedsrichter: Tobias Welz (Wiesbaden)
1:0 Niedermeier (19.) , 2:0 Kuzmanovic (79.)

Fotos zur Herbsttour 2010


+++ PRESSESCHAU +++

St. Pauli nutzt seine Chancen nicht - Niedermeier aus dem Nichts
Durch den zweiten Heimsieg der Saison schaffte der VfB Stuttgart den Sprung von den Abstiegsrängen. Allerdings hatten die Schwaben ein schweres Stück Arbeit zu erledigen: Der FC St. Pauli startete besser, hatte auch einige Großchancen, nutzte diese allerdings nicht. So gab die Effektivität des VfB letztlich den Ausschlag zu Gunsten der Keller-Elf.
Stuttgarts Trainer Jens Keller hatte nach dem 1:0-Sieg gegen Getafe bereits personelle Wechsel angekündigt. Tatsächlich nahm er drei positionsgetreue Änderungen vor: Tasci, der gegen Getafe mit Sprunggelenks-Problemen pausiert hatte, kam für Boulahrouz herein. Gebhart ersetzte auf rechts Camoranesi, und ganz vorne stürmte Pogrebnyak an Stelle von Marica.
Nachdem der FC St. Pauli beim 3:2 gegen Nürnberg den zweiten Sieg in Folge feierte, sah Trainer Holger Stanislawski keinen Anlass, etwas zu verändern.
Ulreich und die Latte retten die VfB-Führung - Mit breiter Brust starteten die Gäste in die Partie, waren bissiger in den Zweikämpfen und erkämpften sich so auch Vorteile. Eine gute Schussmöglichkeit für Asamoah, der aber aus 16 Metern nur einen Stuttgarter anschoss, war der geringe Ertrag (10.).
Anschauungsunterricht in Sachen Effektivität boten die Stuttgarter: Nach einer weiten Faustabwehr von Ulreich erarbeitete sich die Keller-Elf bei einem Konter ihre erste Ecke. Die wurde von Gebhart hereingebracht, Niedermeier setzte sich im Kopfballduell gegen Boll sowie Oczipka durch und traf links unten zum überraschenden 1:0 (19.).
Mit der Führung im Rücken legte auch der VfB zu, so dass das Spiel noch an Tempo und Intensität zulegte. Beide Teams hatten fortan ihre Möglichkeiten. Ein Fernschuss von Kuzmanovic senkte sich aufs Tordach (22.), quasi im Gegenzug zeigte Keeper Ulreich seine Klasse, als er einen strammen 16-Meter-Schuss von Lehmann spektakulär entschärfte (23.).
Nachdem Zambrano mit einem Knaller an die Unterkante der Latte das VfB-Tor zum Erbeben gebracht hatte (31.), waren auch die Hausherren noch einmal dran: Gebharts Schuss lenkte Oczipka mit der Hacke am Tor vorbei (37.), bei Tascis Kopfball war Kessler auf dem Posten (45.).
Tasci rettet, Kuzmanovic entscheidet - Durch die Halbzeitpause verlor die Partie nichts von ihrer Intensität. Die Akteure lieferten sich rassige Zweikämpfe in Serie, der große Einsatz entschädigte auch für die eine oder andere spielerische Unzulänglichkeit. Möglichkeiten boten sich weiterhin auf beiden Seiten. Doch während die VfB-Chancen - Cacaus Schuss parierte Kessler (47.), Kuzmanovic wurde von Zambrano gestoppt (56.) - eher der mittelgroßen Kategorie entsprachen, hatte St. Pauli erneut einen Hochkaräter: Ebbers leitete den Ball am Strafraum direkt weiter und brachte Kruse in Position, der den Ball über Ulreich Richtung Tor lupfte - akrobatisch kratzte Tasci das Leder im Flug von der Linie (55).
Und so kam es, wie es kommen musste: Bei einem Konter über rechts behielt der kurz zuvor eingewechselte Marica den Überblick und legte an den Strafraumrand zurück, von wo Kuzmanovic platziert zum 2:0 traf (79.). Allerdings hatte Cacau zuvor Thorandt zu Fall gebracht und so den Weg für Kuzmanovic frei gemacht.
Die Entscheidung war damit gefallen, St. Pauli kam nicht mehr zurück. Einen unschönen Schlusspunkt setzte Zambrano, der im Zweikampf mit Cacau den Ellenbogen ausfuhr. Der Nationalstürmer konnte nach einer Behandlungspause aber zu Ende spielen und sich anschließend mit seinen Mitspielern über den Sprung von den Abstiegsrängen freuen.
(Quelle: kicker-online 24.10.2010, 19:22)