Samstag, 14.08.2010  DFB-Pokal / 1. Runde:  SV Babelsberg 03 - VfB Stuttgart   1:2 (1:2)

Es war spielfreies Wochenende für die LOK-Fans angesagt, weil in Sachsen noch keine Ansetzungen für den Landespokal vorgesehen waren. Also galt es, sich nach adäquatem Ersatz umzusehen. Also ging der Blick hoch in die Beletage des deutschen Fußballs, denn dort wurde zur ersten Hauptrunde im DFB-Pokal gerufen. Der Stuttgarter brachte uns auf die Idee: „Warum nicht nach Babelsberg fahren, dort spielt Samstag der VfB Stuttgart!“. Nach dem leider ausgefallenen Leipziger Derby vor eine Woche sollte nun ein echtes Highlight endlich stattfinden. Dazu loggte man sich beizeiten im VfB-Ticketservice ein und wollte per Mail die begehrten Billetts bestellen. Klappte aber leider nicht so, denn irgendwie gibt es da bei den Schwaben wohl Ablagen, in die niemand reinschaut. Jedenfalls verkündeten die Mitarbeiter der Hotline zwei Tage vor dem Spiel, die Karten sind längst ins Brandenburgische zurückgegangen, „Ihre Bestellung konnte nicht bearbeitet werden.“ – warum auch immer. Naja, ein bisschen Nervenkitzel muss schon sein, da fahren wir eben auf gut Glück!

Los ging es mit der Tram 15 kurz nach 7 Uhr zum Hauptbahnhof, dort war halb acht Treffen auf dem Querbahnsteig. Der Randleipziger schaffte es nicht, uns andere – Alex, Jürgen und mich – zu überzeugen, vorher nach Halle in den Wosz-Fanshop zu düsen, um Karten fürs Sonntagspiel gegen Union zu besorgen. Denn hier dort in der RB-Arena musste der Hallesche FC sein Heim-DFB-Pokalspiel austragen, weil der KWS in Halle derzeit brachliegt. Warum aber nicht in Leipzig die Karten kaufen, wäre doch viel einfacher? Dagegen sprach der so genannte Sicherheitskonzept der Ordnungsmacht, die augenscheinlich die harte Linie gegen Fußballfans durchzieht und nur noch ihre eigenen Personalkosten im Blick zu haben scheinen. Später in der TV-Zusammenfassung durfte man erleben, wie HFC- und Unionfans unisono mit übergezogenen schwarzen Mülltüten als Ersatztrikots für Totengräberstimmung im weiten Rund des Zentralstadions sorgten – eine bemerkenswerte und viel intelligentere Aktion als die einfache Aussperrung der Leipziger Bevölkerung durch die Polizei. Erst nach einer Viertelstunde bahnte sich so etwas wie Fußballatmosphäre durch die WM-Arena, ein sehr deutliches Zeichen auch an die Verbände, was nicht los ist, wenn die Faninteressen weiter mit Füßen getreten werden.

Wir fahren nach Berlin – dieser immer neue und nie erlahmende Schlachtruf der deutschen Fußballfans galt heute auch für unser kleines Quartett. Babelsberg liegt ja schließlich direkt an der alten Zonengrenze nach Westberlin und zum Umsteigen muss man gelegentlich auch einen dortigen Übergangsbahnhof in Anspruch nehmen – wir zum Beispiel bei der Rückfahrt.

Aber der Reihe nach und von vorn. Um 7.57 Uhr rollte der Regionalzug aus dem Hauptbahnhof, für Proviant wurde zuvor unten bei REWE gut gesorgt und eingekauft. Im Zug kaum Publikum, aber eine ältere Dame war irgendwie froh über unsere lustige Gesellschaft. Es stellte sich später heraus, dass ihre Freifahrkarte nur in Sachsen und Brandenburg galt, nicht aber in S-Anhalt. So durfte sie als quasi fünfte Person unser WE-Ticket mitnutzen, schließlich war das ja auch mit 39 € teuer genug. Bei der Einführung kurz nach der Wende kostete das Ticket mal 15 DM – lang, lang ist’s her. In Roßlau hieß es Umsteigen, gleich mal durch die rustikale Unterführung gehetzt, keine Hektik, es hätte sogar für einen Kioskbesuch gereicht. Der nächste Halt war in Seddin, einem Riesen-Güterumschlagsplatz der Bahn. Die Tunnelanlage und das Gebäude erinnerten noch an Adolfs Zeiten. Da gut eine Stunde Zeit blieb, zog unsere Crew zum Lunchen zum Edeka-Markt, der sich am Ende einer rund 500m langen Tunnelstraße unter den Bahngleisen entlang befand. Auf dem Sportplatz gegenüber spielt sonst der ESV Lok, dessen Kneipe aber leider heute geschlossen war. Die Graffiti-Künstler hatten sich auch des Bahnhofsgebäudes angenommen, was dem tristen Betongraubraun ganz gut tat. 

Der Regiosprinter der Bahn überraschte uns dann ziemlich, denn drinnen „überfielen“ unsere Crew ein paar Mädels mit einem Blumenstrauß. Es stellte sich aber heraus, dass sie die einzeln verkaufen wollten – die eine war die Braut und brauchte Kohle für ihren Polterabend. Eine kleine Spende von uns sollte helfen, die Blumen durften sie aber behalten. Der Minizug brachte uns in wenigen Minuten zum Schwielowsee mit dem berühmten DDR-Erholungsort Caputh. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein, das Bahnhofsgebäude sah echt nostalgisch aus. Jürgen war hier früher mit seiner Familie oft im Urlaub und erkannte einiges auch wieder. Dank Internet wussten wir vorher schon, wann ein Fahrgastschiff der Weißen Flotte – ja, das heißt wirklich noch so! – Richtung Potsdam fahren würde. 

Wettermäßig tröpfelten einzelne Regentropfen herunter, aber zwischen dem grauen Wolkenteppich schaute doch gelegentlich die Sonne hindurch. Der Fahrkartenschalter war hier gleichzeitig Angebotszentrale für hiesige Kleingärtner und Leseratten, Obst, Gemüse und Zeitschriften gehörten daher zum Angebot. Neben den Billetts für die Flotte, die einfache Fahrt kostete pro Nase nur 7 €. Dafür durfte man unter Deck oder im überdachten Außenheckbereich sich von Luft und Landschaft begeistern lassen. Wann gibt es das schon mal – mit dem Schiff zu einem Fußball-Auswärtsspiel anreisen?! Fast eine Stunde lang schipperten wir durchs Havelland, ehe die Paretz, benannt nach einem Fluß hier, in Potsdam-City anlegte. Vorbei an der imposanten Nikolaikirche führte unser Weg nun zum Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion. Wir brauchten ja noch Eintrittskarten, also enterte man einen Linienbus zum Rathaus Babelsberg. Von da ging es direkt zur Heimstätte des SV 03, auf der Karl-Liebknecht-Straße, wie sonst. 

Es war kurz nach halb zwei und die Kassen öffneten gerade. Am Haupteingang traf ich auf einen alten Programmsammlerkollegen, der wie zu tiefsten DDR-Zeiten immer noch Hefte und Abzeichen an die Fans bringt. Hut ab vor soviel Stehvermögen. Jürgen war derweil auf der Suche nach einem aktuellen Fünfeck-Wimpel des SVB fündig geworden – im Fanshop. Der Gästeblock-Zugang befand sich natürlich gegenüber und dort gab es auch die Billetts. Also schnell hin und zugegriffen, für 15 Euro bekam jeder einen guten Sitzplatz neben der überdachten Tribüne. Noch einen Euro gespart, denn beim VfB hätte man 16 Euro löhnen müssen. Bis zum Beginn blieb uns nun massig zeit, die wir auf der Kneipenmeile Karli verbrachten. Am Straßenrand beobachtete man das Treiben und die Babelsberger beäugten uns teils argwöhnisch, ein Shirt aus alten VfB Leipzig-Tagen erregte ihre Gemüter. Aber es gab keine Kommentare. Die Kneipe hatte ihre Speisekarte auf die Kreidetafel gesetzt, man bestellte einmütig für jeden ein Bauernfrühstück. Nun rückte der Uhrzeiger aber mächtig vor und es dauerte und dauerte. Schließlich einigte man sich mit dem Kneiper, dass wir nach dem Match noch mal vorbei kommen und erst dann Essen fassen würden. Kontrollen am Gästebereich überstanden, und wir hatten Glück, dass wir auf der fast vollen Tribüne noch annähernd vier zusammenliegende Plätze fanden. 

Das Intro der Babelsberger ganz in blau und weiß, schön anzusehen. Auch die Stuttgarter im Fanblock links neben unseren Sitzplätzen zeigten gute Präsenz, wedelten mit ihren großen Blockfahnen und schmetterten ihr „Stuttgart, Stuttgart!“. Der Ball rollte endlich und es ging gleich gut los. Für die Einheimischen, denn die nutzten die Trägheit der VfB-Abwehr für das schnelle 1:0. Was für eine kalte Dusche, und das, obwohl der Himmel eigentlich für heute ein einsehen mit uns hatte. Von rechts flankte ein Babelsberger in den Strafraum und die Ablage köpften sie zum Führungstreffer ein. Das zeigte Wirkung, der Drittligist sah seine Pokalchance gekommen. Die Schwaben legten nun aber ihre spielerische Klasse offen und drückten die 03er an die Wand. Und sie hatten den besten Mann in ihren Reihen – Cacau. Der deutsche WM-Spieler kurbelte an und netzte gleich noch selber vorn ein – einfach überragend. Gleich zweimal hintereinander gelangen ihm die Big Points für sein Team, die Stimmung bei den Gästen und bei uns nun großartig. Nach der Pause drehten die Gastgeber dann zwar noch mal auf, aber letztlich entschieden diese beiden Cacau-Tore das Pokalmatch für den VfB. Die rotweißen Brustringträger feierten nach dem Abpfiff ihre Mannschaft, und selbst die tapferen Babelsberger durften sich über viel Beifall ihrer Fans freuen. 

Dann gab es draußen einigen Zoff, weil wohl manch einer nicht verlieren konnte. Weil wir ja nun noch in die Karli zu den Bratkartoffeln wollten, führte unser Weg direkt durch die 03-er. Die Cops sahen das nicht gern, schließlich hatte unser Jürgen sein VfB-Shirt gut sichtbar am Körper. Mit sanfter Gewalt und eindringlichen Worten schoben uns die Ordnungshüter durch die Karl-Liebknecht-Straße, ehe an der übernächsten Ecke endlich der Aufhebungsbefehl von oben kam. Da die Kneipe nun vollends überfüllt war, zogen wir es vor, ein anderes Lokal zu besuchen. Der Nobel-Italiener kam nun wirklich nicht in Frage (da zahlt man ja das Gehalt von einem Dutzend Kellner mit). Aber Jennys Eissalon schon, denn dort gab es lecker Kaffee im Pott. Auch das Eis konnte sich schmecken lassen, Kirsch-Banane, Nugat-Marzipan oder Stracciatella durfte man schlecken. Nach diesem Gourmet-Erlebnis ging es zurück zum Potsdamer Hauptbahnhof, dank guter Wegbeschreiber gleich per S-Bahn. Über Berlin-Wannsee und Roßlau erreichten wir gegen 22 Uhr wieder den Leipziger Raum.

Fazit: Eine Reise mit dem Schiff zu einen Fußballspiel – wer kann das schon vorweisen. Wir nach dem heutigen Erlebnis schon. Der knappe VfB-Sieg entschädigte schon sehr für ein LOK-freies Wochenende.

RT


Fotos zur Tour HIER


+++ PRESSESCHAU +++

Stroh-Engels frühe Führung reichte Babelsberg am Ende nicht - Cacaus Doppelpack rettet Gross' Geburtstag

Der VfB Stuttgart setzte sich in einem interessanten Spiel insgesamt verdient gegen den SV Babelsberg durch. Die Hausherren begannen stark und gingen schnell in Führung. Doch Cacaus starke fünf Minuten brachten den Bundesligisten auf die Siegerstraße. Die Demuth-Elf kämpfte dennoch aufopferungsvoll und kam zu guten Gelegenheiten. Am Ende setzte sich jedoch die individuelle Klasse durch.

Babelsbergs Coach Dietmar Demuth sah nach dem 2:0-Sieg in Ahlen keinen Grund für einen Wechsel seines Personals. Stuttgarts Trainer Christian Gross nahm nach dem 2:2-Remis gegen Molde in der Europa-League-Qualifikation drei Veränderungen vor. Neuzugang Degen (Liverpool) stand zum ersten Mal in der Startformation. Außerdem rutschten Cacau und Boulahrouz in als WM-Rückkehrer in die Mannschaft. Funk, Rudy und Marica mussten weichen.

Kaum hatte die Partie begonnen, wagten sich die Babelsberger nach vorne. Mit dem zweiten Angriff gingen die Hausherren dann überraschend in Führung: Schütz legte von der Grundlinie nach hinten zu Müller. Dessen verunglückte Flanke landete in der Mitte bei Stroh-Engel, der im Fünfmeterraum einen Tick früher an den Ball kam als Schlussmann Ulreich und Boulahrouz - 1:0 (4.). In der Folge kam der VfB lediglich mit einem Distanzschuss von Gentner (9.) sowie einigen Ecken gefährlich in die Nähe des SV-Tores und kontrollierte das Geschehen mit viel Ballbesitz, dennoch blieb der Gastgeber das gefälligere Team. Besonders WM-Teilnehmer Boulahrouz sorgte in der schwäbischen Defensive mit Unkonzentriertheit einige Male für Gefahr.

Mit einem Distanzschuss leitete Cacau die stärkste Phase der Gäste ein. Nur wenige Sekunden später fiel der Ausgleich. Gebhardt passte zum Kuzmanovic. Dessen Flanke von der linken Seite fand am langen Pfosten den deutschen Nationalstürmer, der das Leder mit rechts über die Linie schob (21.). Die Stuttgarter wollten und konnten sofort nachlegen. Nur vier Minuten nach dem Ausgleich verwertete erneut Cacau eine präzise Träsch-Flanke von rechts im Strafraum per Kopf zur Führung. Die anfängliche Sicherheit bei der Demuth-Elf war nach diesem Rückschlag fast vollkommen verschwunden. Nur noch sporadisch wagten sich die "Filmstädter" nach vorne. Doch die VfB-Defensive um Innenverteidiger Boulahrouz und Niedermeier stand mittlerweile sicherer.

In der Schlussphase der ersten 45 Minuten plätscherte die Partie vor sich hin. Die Stuttgart kontrollierten das Geschehen, machten in der Offensive aber nur das Nötigste. Die Babelsberger kamen kaum noch gefährlich in Tornähe. Lediglich ein wuchtiger Schütz-Freistoß kurz vor dem Pausenpfiff entlockte dem Publikum nochmals ein Raunen (45.).

Nach dem Seitenwechsel wollte der SV erneut die Stuttgarter mit aggressiven Pressing überraschen. Dieses Mal stand die VfB-Defensive sicher und ließ lediglich einen schönen Distanzschuss von Makarenko zu (51.). Die bessere Gelegenheit hatte aber Stuttgart. Babelsbergs Keeper Unger musste sein ganzes Können aufbringen, um einen platzierten Schlenzer von Kuzmanovic aus dem rechten oberen Eck zu kratzen (53.). Der Bundesligist blieb weiterhin das bessere Team auf dem Rasen, ohne jedoch wirklich zu glänzen. Die Babelsberger waren aber in Reichweite und hatten noch alle Möglichkeiten.

Rund 20 Minuten vor dem Ende der Partie wurden die Hausherren wieder stärker und ließen zwei hochkarätige Chancen zum Ausgleich liegen. Erst schoss Makarenko VfB-Keeper Ulreich nach schöner Koc-Vorarbeit aus 16 Metern an (66.), ehe Gentner nach einer Ecke im Fünfmeterraum vor Schütz klärte (68.). Die Gross-Elf zog sich sehr weit zurück und betrieb damit ein äußerst gefährliches Spiel. Der Drittligist kämpfte aufopferungsvoll und machte ordentlich Druck. Meistens hatte jedoch ein Spieler der Schwaben einen Fuß dazwischen und konnte klären. In den Schlussminuten wurde der Gast wieder aktiver und fuhr den Sieg am Ende insgesamt verdient ein.

Die Auslosung für die zweite Runde findet am 21. August statt. Am 5. Spieltag empfängt der SV Babelsberg 03 am Samstag um 14 Uhr den VfR Aalen. Am 1. Spieltag in der deutschen Bundesliga reist der VfB Stuttgart am Sonntag nach Mainz und spielt dort um 15.30 Uhr gegen den FSV.

(Quelle: www.kicker.de )