+++ Rassiges Derby vor Rekordkulisse im Zentralstadion - da lachte das Herz eines echten Fußballtraditionalisten! +++ Mit dem torlosen Remis können beide Fanlager leben, wenn wir auch gerne gewonnen hätten... +++ Starker FC Sachsen zu Beginn, druckvoller FCL in der zweiten Halbzeit begründen das am Ende gerechte 0:0. +++ Samstag gegen Jena 2. gilt es für LOK wieder, dann im Bruno um 15 Uhr! +++

 

Sonntag, 23.08.2009  im Zentralstadion: FC Sachsen Leipzig - 1. FC Lok Leipzig  0:0

 

Endlich wieder Derbyzeit in Leipzig, und das im großen Stadion, da werden Erinnerungen wach an die letzten zuschauerträchtigen Duelle in den Achtzigern. Da war die Loksche noch klarer Favorit, pendelten die Grünweißen doch zwischen Oberhaus und zweiter Liga in schöner Unvollkommenheit. Jetzt ist alles anders, kommen die Leutzscher ja aus der Regionalliga mit einem respektablen Kader unter der Regie des erfahrenen Coachs Dirk Heyne. Unser LOK-Team ist dagegen ziemlich verjüngt und mit einem Trainerneuling aus dem Nachwuchsbereich bestückt worden. Unter diesen Vorzeichen gab es diesmal keinen Favoriten, was das Interesse in beiden Fanlagern noch steigern sollte.

Unser Fanclub traf sich zu früher Mittagsstunde zu einem ausgiebigen Frühschoppen an einem Freisitz in Stadionnähe. Extra aus Stuttgart und Nürnberg angereist Jürgen, Berni und Lutz, allesamt glühende Fans der Blaugelben. Kein Weg und kein Geld zuviel für unseren FCL, so ihr Credo. Stimmungsvoll marschierte man später zur großen WM-Arena, wo sich schon riesige Menschenschlangen an den Eingängen gebildet hatten. Aber die Ordnercrew hatte alles gut im Griff, großzügige Einlassbereiche sorgten da für gute Fandurchlässigkeit, Kompliment für die gute Organisation!

Vom Oberrang aus sollte unser Fanbanner wehen, was für die Security ein echtes Problem darstellte Denn eigentlich war nach oben hin alles abgesperrt mit Gittern und so bedurfte es schon der geballten Überredungskünste von UKW, die Tücher da oben anknüpfen zu können. Die rabiaten unter den Ordnern wollten aber partout keine Fahnen da oben sehen, drohten sogar mit Abriss - ja wo leben wir denn! Schließlich entschied der Wind das Problem, denn ehe unser Banner nur wild nach oben flatternd fast unsichtbar sein würde, entschloss sich unser Cheforganisator zum Abflaggen. Die blaugelbe Locomotion-Fahne hing wenig später unten am Innenraum, und unser heute elfköpfiger Fanclubtross weilte fortan fast komplett in Reihe 2 im Mittelblock.

Die Anzeigetafel wies ein schwarzes Viereck aus, gerade an unserer Null im Resultat. Was sollte uns dies sagen? Sabotage! Können wir heute keine Tore schießen, oder werden es den Umrissen gemäß gar acht? Oder sind einfach vier Jahre schon zuviel für die heutige moderne Technik, das wird’s wohl sein… Mit viel Brimborium liefen beide Mannschaften auf den WM-Rasen oder das was noch von dem nationalen Highlight anno 06 liegt. Beide Fanblöcke präsentierten sich nicht nur optisch auf der vollen Höhe. Es entspann sich ein lautstarker Wettstreit um die beste Fankurve, viel Hurra, wenig Häme - so soll es sein.

Die Grünweißen kommen besser in die Gänge, haben allerbeste Torgelegenheiten, aber zu unserem Glück ist Norman Lee Gandaa unser bester Mitspieler (wie UKW hinterher süffisant jedem erklärte). Aber jeder kniet sich rein, so wird die erste Unsicherheit überwunden, fast. Es fehlt die Bindung nach vorn, das Mittelfeld existiert bei uns nur auf dem Aufstellungspapier. Heusel zerrt vorn gegen vier Gegenspieler, schießt nur ein einziges Mal aufs Tor. Zuwenig, findet auch das kritische blaugelbe Publikum, es ruft verzweifelt “Los jetzt hier!” Hinten bleibt aber alles dicht, Jan Evers ist hellwach.

Nach der Pause wird alles besser, LOK entwickelt Blaugelbe Power, schnürt die Leutzscher in deren Hälfte ein. Nur Nadelstiche lässt man dem Gegner noch, gelegentlich. Dann wird es duster, Rauch aus wahnwitzig geworfenen Böllern vernebeln das Freudenfest. Die Schiris flüchten in den Fluchttunnel, aber die Spieler bleiben. Nun erst recht, wir weichen den Chaoten keinen Millimeter, hört man sie förmlich schreien. Beide Fanlager denken da wohl ähnlich. Ein einzelner unvorsichtiger Kletterer stürzt derweil am FCS-Block auf den Beton, wird Opfer seines Übermuts - aber auch dieser unsinnigen Betonbauweise in den neuen Stadien. Dann geht es nach 9 Minuten doch weiter, aber irgendwie sind alle platt, nicht nur physisch.

Das 0:0 hilft am Ende keinem oder auch jedem - um den Sonntag weiter fröhlich zu genießen. Die Ordner unten rieten uns, doch die große Runde rückwärts zu gehen, um zur Tramstation zu gelangen. Ein weiser Rat, denn als wir am Waldplatz ankamen, waren die „Hardliner“ schon Richtung City unterwegs. Verfolgt von der Staatsmacht, die für ihre Wasserwerfer sogar der Straßenbahn den Strom abstellten.

Reini

 

Zentralstadion Leipzig:  14.986 Zuschauer

Keine Tore!

 

Fotos zum Spiel

 

 

 

+++ PRESSESCHAU +++

  

Derby mit Knalleffekt

0:0 mit unschönen Begleiterscheinungen. Sachsen gegen Lok, bis zur 75. Minute vor fast 15 000 (!) Zuschauern ein rassiges, faires, fast schon festliches Derby. Um 15.30 Uhr kippt die Stimmung, schlägt ein Böller aus dem Lok-Block neben dem Linienrichter ein. Der nächste Böller kommt aus dem Sachsen-Block, die Polizei rückt an, die bei Stadt-Derbys fast schon obligatorische Spielunterbrechung dauert acht Minuten. Pyrotechnisch heißt es am Ende 2:2, Tore fallen trotz bester Chancen keine. Nach dem Spiel ist vor der Schlägerei. Laut Polizeiangaben stürmt ein Stoßtrupp Lok-Anhänger Richtung Festwiese, dem Sammelbecken der Sachsen-Fans. Die Freunde und Helfer in Grün sind schnell vor Ort. Eine Sprecherin: „Unsere Einsatzkräfte haben Schlimmeres verhindert." Diverse Sachsen-Fans teilen diese Sicht nicht. „Wir wurden richtig verdroschen, das hat mit Fußball nix mehr zu tun", sagte ein schwer gezeichneter Chemiker. Am Waldplatz und in der Innenstadt werden später Mülltonnen umgeworfen und anzündet. Wer braucht eigentlich so ein Derby?
Im Stadion bleibt es bis zur erwähnten 75. Minute ruhig. Die Fußballer gehen vorbildlich miteinander um, Schiedsrichter René Hammer (Ranis) hat alles im Griff, die gemeinsame Fairplay-Kampagne scheint zu fruchten. Dann explodiert der Böller, rennt Lok-Boss Steffen Kubald in den C-Block. „Die haben dort BFC Dynamo gebrüllt", berichtete Kubald, „dann soll'n die doch zu denen gehen!" Schiri Hammer bleibt keine Wahl, bittet zur Abkühlung in die Katakomben „Mein Assistent wurde von dem Feuerwerkskörper in Mitleidenschaft gezogen, ich musste abbrechen." Während der Unterbrechung muss die Polizei vorm Sachsen-Block für Ruhe sorgen, stürzt ein Leutzscher Fan vom Begrenzungszaun, muss ins Krankenhaus. Es fliegen Becher. Manche mit Bier, manche ohne. Nach der Zwangspause ist die ganz große Luft draußen aus der Partie, passiert auf dem Rasen nicht mehr viel. Vorm Abbruch ist der 1. FC Lok am Drücker, korrigiert mit einer couragierten Leistung den schwachen Eindruck der ersten Durchgangs. „Die erste Halbzeit ging an den FC Sachsen", sagt Lok-Coach Jörg Seydler, „danach haben wir uns zurückgekämpft." Dass der FCS zunächst fußballerisch und auch physisch den stärkeren Eindruck hinterlässt, überrascht, eine Halbzeit-Führung wäre logisch und verdient gewesen.
Zur tragischen Figur wird Sachse Norman Lee Gandaa. 33. Minute, Lok-Keeper Evers wehrt einen Marco-Dennhardt-Schuss genau vor den starken linken Fuß von Gandaa. Jetzt wird der junge Mann den Ball annehmen und ihn aus zwei Metern über die Linie drücken. Alternativ könnte er die Pille auch direkt nehmen, sind ja nur zwei Meter. Gandaa nimmt den Ball also direkt, der Sachsen-Block jubelt schon, doch es passiert das Unfassbare: Das Ding geht drüber! Lars Ziegenhorn, Vorstandssprecher der Grün-Weißen, hat keine große fußballerische Vergangenheit, legt sich aber trotzdem fest. „Ich glaube, den hätte ich rein gemacht." Der 1. FC Lok schießt vorm Wechsel zweimal aufs Tor, wird dabei einmal richtig gefährlich, als René Heusel an Katze Felix Weiß scheitert. Lok verdient sich den Zähler nach der Pause, wird stärker, schießt FCS-Keeper Weiß in den Mittelpunkt. In der 72. Minute fingert Weiß einen sensationellen Freistoß des Ex-Leutzschers Marcus Brodkorb von der Torlinie, kurz später wird die Partie unterbrochen. Sachsen-Coach Dirk Heyne, sonst ein Spielerversteher und Spielerfreund, geht auf Distanz zu seinen Untergebenen. „Die Mannschaft ist zufrieden, ich bin es nicht. Ich bin sehr enttäuscht." Nach dem Schlusspfiff lassen sich beide Teams feiern. Kann man auch 0:0 gewinnen? Im Leipziger Fußball ist nichts unmöglich ...
(Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 24.08.2009 - von Guido Schäfer)

 

Interview mit Manuel Starke

Herr Starke, wie beurteilen Sie die Stimmung beim Ortsderby?
Einfach toll, das war eine Riesen-Atmosphäre. Es gibt nichts Schöneres als so eine gigantische Kulisse, dafür spielt man Fußball, das ist eine Belohnung dafür, dass man sich im Training quält und jahrelang die Knochen hinhält. Auf dem Feld war es hart, aber herzlich. Beide Mannschaften haben sich nichts geschenkt, sind aber fair miteinander umgegangen und waren Vorbild für die Fans.
Der FC Sachsen war lange die bessere Mannschaft. Warum ist der 1. FC Lok so spät aufgewacht?
Schwer zu sagen. Wir haben viele junge Leute, einige waren offenbar von der Kulisse beeindruckt und von der starken Anfangsphase der Sachsen. Wir sind ganz schlecht in die Partie gekommen, nach vorne lief zunächst gar nichts. Erst nach der Pause haben wir den Respekt und die Ängstlichkeit abgelegt, konnten gegenhalten. Torsten Jülich hat ein Riesenspiel gemacht, mit ihm im Zentrum sind wir aggressiver und präsenter. Ich denke, es war ein gutes Spiel mit Chancen auf beiden Seiten. Die größeren besaß der FC Sachsen, wir hätten uns über einen Rückstand nicht beschweren können. Deshalb bin ich mit dem Punkt auch nicht unzufrieden. Wir werden von Spiel zu Spiel besser, was uns fehlt, ist der Zug zum Tor und ein richtig guter Stürmer.
Die Spielunterbrechung hat eher Lok geschadet, oder?
Ja, wir waren am Drücker, das war völlig unnötig. Der Schiedsrichter hat da wenig Spielraum, handelte korrekt. Manchmal schämt man sich für die eigenen Leute. Es flogen ja auch Feuerzeuge, ich bin von so einem gelben Ding getroffen worden.
(Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 24.08.2009 - Interview: Steffen Enigk)