+++ Plus bei den Zuschauern, Minus bei den Toren - knapp 10000 sahen ein 0:0 im Derby gegen den Erzrivalen, im großen Leipziger Zentralstadion! +++ Blaugelber Fanmarsch vom Augustusplatz zur Schüssel, etwa 800 Lokisten machten mit! +++ Tristesse für die Filmcrews der TV-Sender: Es blieb rund um das Sportforum (fast) alles ruhig, auch dank der wieder brutal hohen Polizeipräsenz. +++

 

Sonntag, 16.03.2008  1. FC Lok Leipzig - FC Sachsen Leipzig 2.  0:0

im Zentralstadion

 

Langsam weicht die Enttäuschung bei den LOK-Fans wieder dem Realismus. Wir sind nun mal immer noch eine Ausbildungsmannschaft und keine Überflieger, die so mal ganz nebenbei einen Sieg vor 10.000 fantastisch fanatischen Fußballfans aus den blaugelben Spielertrikots schütteln. Wenn auch das torlose Remis gegen diesmal scheinbar mehr motivierte Sachsen-Bubis am Ende keinen in Block C und D begeisterte, einfach weil wie in bisher allen Spielen 2008 unser Team wenig Spielsicherheit vorweisen konnte. Es scheint so, dass einige unserer Kicker das jüngst neu ausgegebene Saisonziel irgendwie verkrampfen lässt. Viele Fans sehen aber den Aufstieg in die Oberliga als gar nicht unbedingt notwendig an, im Gegenteil wäre ein weiteres Jahr in der obersten sächsischen Fußballliga kein Beinbruch. Was sie sehen wollen, ist Begeisterung, Leidenschaft und voller Einsatz ihrer Mannschaft - und so wurde sie am Ende trotzdem mit riesigem Beifall verabschiedet. Dies sollte ihr Mut machen für die weiteren schweren Prüfungen, wie sie schon am Ostermontag auswärts in Görlitz sowie am 30. März wieder im Zentralstadion dann gegen die Zweite von Erzgebirge Aue bevorstehen.

Der Regen meinte es heute gut mit den Fans, denn bis 10 Uhr morgens war das Tageskontingent schon aufgebraucht. Immer mehr Anhänger des blaugelben Fußballs dieser Stadt fanden sich demnach am Treffpunkt Augustusplatz ein, um wie schon im Oktober letzten Jahres gemeinsam zum großen Stadion zu marschieren. Das Ganze hatte auch wirklich den Charme einer Großdemonstration, mit großem Spruchband der BSL und den in einheitlichem Blau dressierten Aktivisten. Ein Schelm, der da an vergangene DDR-Zeiten mit ihrem Einheits-FDJ-Blusenblau denkt. Nicht nur das, auch die erste Reihe heute hätte durchaus in die Kategorie Kampfgruppe einsortiert werden können - die überdimensionierte Cop-Begleitung ließ halt einfach gar nichts anbrennen. Trotzdem wurde an allen verkehrstechnischen Brennpunkten in der Leipziger City enorm viel für den LOK-Fußball geworben, den „Touris“ dadurch allerbeste Werbung geboten. Der etwa 800 Mann/ Frau starke Fan-Konvoi startete gegen 11:30 an der alten Hauptpost am Georgiring und erreichte - immer umzingelt von aufmerksamen Polizeitrupps - nach einer knappen Stunde das Stadion. Dort konnten unten an den Kassen sowohl Karten (aber nur für die Gerade) als auch LOK-Programmhefte erworben werden. Die Kontrolle erwies sich als durchaus gründlich, zumindest was die mitgeführten Rücksäcke und neuerdings auch Tragebeutel angeht. Die soll man doch bitte schön am nächsten Eingang abgeben, denn das Mitführen derselben ist hier verboten. Durch verbalen Protest gegen den Einlassdienst konnte ich gerade noch so das Schlimmste für mich abwenden, das hätte einem ja glatt einen Nick gekostet… Das treppale Auf-und-Ab hinter sich lassend erreichte man den Nordblock D. Am Eingang wurden zur allgemeinen Überraschung jedem aus der vollen Fanmasse ein druckfrisches „Tatort Stadion Nummer 82“ in die Hand gedrückt. Gesamtauflage 2000 Stück - und das alles gratis, alle Achtung! Der Block füllte sich zusehends, und nach der Aufwärmphase betraten beide Teams erneut das Feld. Gegenüber trollte sich der FCS-Block von oben herein, um fortan teils hüpfend und fahnenschwenkend das Geschehen zu begleiten. Nach fünf Spielminuten war es einem von ihnen schon langweilig, weswegen er gezielt ein Bengalo Richtung Geradenblock C abschoß. Die war der Auftakt einer Reihe von Gegenaktionen. Der blaugelbe Fanblock hüllte sich „dank“ einer Rauchbombe in weißen Nebel ein. Drüben hetzten einige Chemie-Besessene an den Trennzaun, um ihre lokistischen Gegenüber lauthals zu provozieren. Sie fanden dankbare Adressaten, die sich nicht lange zum Argumentetausch bitten ließen. Ordner und Cops eilten zum Brennpunkt, das Spiel war für wenige Minuten Randereignis. Aber schnell war die Ordnung wieder hergestellt, der Rasenkick hielt alle in Atem. Wetzigs Riese war da schon Geschichte, LOK dominierte zwar weiter, ohne allerdings echte Torchancen zu erzielen. Überraschend nicht von Anbeginn dabei Rico Engler und Ralf Schreiber. Sie erhielten eine Denkpause nach zuletzt nicht berauschenden Vorstellungen, kamen erst in der 2. Halbzeit. Eine Musterkombination zwischen René Heusel und Rico schloß der Nachwuchsstarstürmer mit einem satten Schuss aufs Chemie-Tor ab, leider bekam der grünweiße Keeper irgendwie noch die Finger dran. Am Ende wollten die Sachsen sogar selbst noch den Sieg, fanatisch vorangepeitscht vom gepuschten Anhang in Block B. Jan Evers hielt alle in Schach und die Null für unser Team fest! Trotz der kleinen Enttäuschung fanden unsere Spieler den Weg in die Fankurve, gegenseitiger Beifall war angesagt. Der Abmarsch geriet anschließend zum Irrlauf. Am Waldplatz fuhr keine Tram mehr, nach Angaben eines LVB-Mitarbeiters mussten sie die Fahrleitung stromlos schalten -  laut Polizeianweisung wegen möglichem Wasserwerfereinsatz. Denn rund um die Festwiese spielten sich wohl ein paar kleinere Scharmützel ab und die grünweißen Anhänger mussten sich fortan mit Sonderbewachung Richtung Connewitz bewegen. Das hatte zur Folge, dass auch die Umleitungsstrecke Käthe-Kollwitz-Straße für die Bahn gesperrt wurde - Chaos allerseits beim Crashderby!

Reini

 

Zentralstadion Leipzig:  9.895 Zuschauer (ca. 7.000 Lokisten)

Keine Tore!

 

Fotos zum Spiel

 

 

+++ PRESSESCHAU +++

 

Bewegte Stadtderby-Bilder gibt’s nur vom MDR

Lok-Boss Steffen Kubald dürfte angesichts der Absage FCS gegen Borea nicht in sein blau-gelbes Handtuch geweint haben, wird doch der eigene Auftritt enorm aufgewertet, zum 90-minütigen Alleinstellungsmerkmal und unwiderstehlichen Publikumsmagneten. Es ist angerichtet zum ewig jungen Stadtderby, am Sonntag, 14 Uhr, empfängt Lok die mit zwei, drei Oberliga-Assen frisierte U23 des FC Sachsen. „In unserem Wohnzimmer“, sagt Kubald und meint das Zentralstadion. „Da fühlen wir uns wohl, da haben wir bisher immer gewonnen. Das soll und wird so bleiben!“ Übertreibungen, Verklärungen und Kampfansagen sind vor Derbys normal, müssen sein. Insgesamt bescheidene vier Mal hat der 1. FCL seit der Neugründung 2004 in der WM-Arena gespielt, dabei so grandiose Erfolge wie jenes 8:0 gegen die 2. Mannschaft von Eintracht Großdeuben in die „Immer-Gewonnen“-Bilanz einfließen lassen. Für Sonntag werden – auch dank des sächsischen Innenministeriums – weit über 10 000 Fans erwartet. Mit dem Überschreiten der 5000-Zuschauer-Grenze fängt die Derby-Geschichte an, Spaß zu machen. Für die aufstiegswilligen Gastgeber. Und für Winfried Lonzen, in Personalunion (einnahmebeteiligter) Stadionbetreiber und Leutzscher Präsident. Der richtete nach dem Ausfall des Profispiels einen Appell an den eigenen Anhang. Jene 3000 bis 4000 Menschen, die am Samstag nach Leutzsch pilgern wollten, sollen jetzt bitte, bitte am Sonntag ins Zentralstadion kommen. Auf dass sich die Kasse füllt. „Und ein Sieg gegen Lok wär’ ja auch nicht so schlecht“, so „Doppelagent“ Lonzen. Der macht übrigens gnadenlos von seinem Hausrecht Gebrauch, lässt die am Stadiontor scharrenden Kamerateams von RTL und Sat1 nicht in sein Refugium. Der MDR hat die Exklusivrechte, ansonsten gibt es keine Drehgenehmigung. Beim Hausherrn bestehen offenbar Zweifel an ergebnisoffener Recherche auswärtiger Berichterstatter. Der Medienhype ist im Vergleich zum Oktober-Hinspiel (3:1 für Lok) total abgeflaut. Damals hatten sich 124 Journalisten und vierzehn TV-Teams akkreditiert, war das Fünftligaspiel nur Feigenblättchen für die eigentliche Hauptsache: Sexy bunte Bilder von Krawallen. Die blieben aus. Womit das journalistische Interesse außerhalb Leipzig auf seltsame Weise über Nacht erkaltete ...

(Quelle "Leipziger Volkszeitung" vom 15.03.2008 - von Guido Schäfer)

 

 

AUTSCH! Lok rutscht aus

Der 1. FC Lok ist im Aufstiegskampf ausgerutscht. Nur 0:0 im Landesligaspiel gegen den FC Sachsen II. Autsch. Trostlos war die Nullnummer vor 9895 Fans (rund 7000 Lok-Anhänger) zwar nicht. Aber Lok verpasste einen „Big Point“ im Landesliga-Aufstiegskampf. Lok-Coach Rainer Lisiewicz angefressen: „Wir müssen den Punktgewinn akzeptieren. Wer keine Tore schießt, kann halt nicht gewinnen.“ Lisiewicz ließ die formschwachen Stürmer Schreiber und Engler auf der Bank, Nachwuchstalent Steven Aßmann (19) bekam erstmals seine Chance. Bei den Leutzschern waren Virag, Gerber, Köckeritz, Dietrich und Richter aus dem Oberliga-Kader dabei. Rein ins Spiel: Nach nur 26 Sekunden läuft Wetzig allein auf Sachsen-Keeper Kansy zu – und vertändelt. Dann schiebt Manuel Starke einen Knoof-Einwurf aus 3m am linken Pfosten vorbei(43.). Rene Heusel enttäuscht: “Wir haben das Ding einfach nicht über die Linie gekriegt!“ So auch in der 58. Minute, als Wetzig aus 5m wieder an Kansy scheitert. Plötzlich die Schlußoffensive der Sachsen-Bubis: Einen Freistoß-Hammer von Gerber faustet Evers zur Ecke (62.). Wie auch einen Kopfball von Werner aus 8m (75.). Schlusswort von Sachsen-Coach Michael Breitkopf: „Kompliment an meine Jungs – der Auswärtspunkt ist völlig verdient!“

(Quelle "BILD Zeitung" vom 17.03.2008 - von Ronny John und Stefan Krause)

 

 

Hat WM-Arena das letzte Stadtduell erlebt?

Der Tag danach, nach dem hasserfüllten Stadtduell Lok vs. Sachsen II (0:0). Die rausgerissenen Sitzschalen sind ersetzt, demolierte Zäune repariert, gebrochene Nasen gerichtet, klaffende Platzwunden versorgt. Jetzt kommen die Nachwehen. Und die haben es in sich. Winfried Lonzen, Stadionchef und Sachsen-Präsident, spielt mit dem Gedanken, das Zentralstadion zur Derby-freien Zone zu machen! „Ich stelle mir ernsthaft die Frage, ob wir uns so ein Spiel nochmal antun sollen“, so Lonzen mit Blick auf die erneuten Ausschreitungen, die trotz der „sehr guten Kooperation“ mit Polizei, Security und Lok-Chef Steffen Kubald nicht verhindert werden konnten. Die offizielle Zahl der Verletzten – die Rede war von einer Handvoll – entspricht nicht ansatzweise den wahren Begebenheiten. Augenzeugen aus beiden Lagern sprechen von weit über 100 Verletzten. Nach einhelliger Einschätzung haben die Lokis ihre Vormachtstellung auf den Straßen Leipzigs untermauert. Klar ist: Auf beiden Seiten gibt es Pyromanen, Hirnis, Schläger. Klar ist auch: Bei Blau-Gelb geht es einen Zacken schärfer zur Sache. Lok-Präsident Steffen Kubald versucht sich erst gar nicht in Gleichmacherei. „Es ist bekannt, dass sich im Dunstkreis unseres Klubs Leute tummeln, die nicht lange fragen, bei denen es gleich zur Sache geht.“ Bis zur Leutzscher Fanfraktion hat es sich offenbar nicht rumgesprochen, dass man gegen eine gnadenlose Übermacht besser den Ball flach hält. Stattdessen fliegen zwei Raketen in den Lok-Block, stürmen Chemiker weidwund an den trennenden Zaun, schreien sich den Leib aus der Seele, ballen die Fäuste. All das noch in Sicherheit, die Sektorzäune sind extrem stabil. Nach dem Spiel ist der Zaun plötzlich zugänglich, machen rund 100 Lokis Jagd auf die gar nicht mehr mutigen Provokateure. Bis die Polizei reagiert, gibt es heftig Prügel, im Fachjargon „Backenpulver“. Zur Aufarbeitung des Derbys gehört die Klärung der Frage, wer warum die Tür im Zaun aufgeschlossen hat. Gut für Ermittler und Opfer, schlecht für die Täter: Die Videoüberwachung im Zentralstadion ist seit der WM 2006 auf Weltniveau. In der 44 000-Mann-Arena fällt jeder auffällig Gescheitelte, jede halbgare Bratwurst, jedes Spruchband auf. „Wir sind Lokisten, Ärzte und Juristen“, steht auf einem Banner. Witzige Nummer inmitten einer todernsten Angelegenheit. Brutalität und Intelligenz kommen am Sonntag nicht zusammen um die Ecke. In einschlägigen Internetforen (www.forum.football-thugs.com) werden nicht nur haarklein die Übergriffe geschildert, es gibt auch korrespondierende Bilder dazu. Zu sehen sind unvermummte Hooligans bei ihrem Tagwerk. Erst am gestrigen Nachmittag werden die Schnappschüsse gelöscht. Da hat die Staatsmacht schon umfänglich gesurft. Winfried Lonzens Endzeitstimmung könnte auch daran liegen, dass er während des Spiels von so genannten Lok-VIPs übelst belegt wird. Lok-Chef Kubald ist das Ganze extrem unangenehm: „Da haben sich einige wie eine offene Hose benommen“, zürnt Kubald, der Fehler beim Verkauf der VIP-Karten einräumt. Diesmal durfte jeder, der wollte und 39 Euro hatte. Das nächste Mal wird handverlesen. Falls es ein nächstes Mal gibt.

(Quelle "Leipziger Volkszeitung" vom 18.03.2008 - von Guido Schäfer)