Samstag, 30.11.2002  VfB Leipzig gegen 1. FC Magdeburg  1:1 (1:0)

 

Strafe Fußball?

Der Lokist ist als fanatischer Mensch ja allerhand gewohnt und ihn schmeißt so schnell nichts um. Was heute aber so zusammen kam an Unsäglichkeiten, ist nicht einfach so wegzustecken…

 

Da schlug zunächst der kalte Dauerregen auf’s Gemüt, dennoch kamen laut Veranstalter knapp 3000 Besucher ins geplagte Plache. Der Ordnungsdienst versah seinen Job korrekt und zügig, auch nicht alltäglich. Die Polizei hielt sich im Hintergrund, aber man sah sehr viel grünes Personal herumstehen. Schon auf der Hinfahrt in der Tram machten ein paar Geraer ziemliche Faxen, die hatten einfallsreiche Songs drauf, zu Gassenhauern wie Nina Hagens Farbfilm zum Beispiel. Im Stadion dann überall aufgeweichter Boden, wie sollte da der Rasen aussehen? Hinten platzte der Gästeblock aus allen Nähten, der zweite Bereich direkt vor der Anzeigetafel musste zusätzlich geöffnet werden, es waren sicher an die 600 Magdeburger im Block.

Zum Anpfiff schnipsten dann unzählige Papierrollen aus der Gegengeraden auf’s Spielfeld, das ging sogar soweit, dass der Schiri die Partie ein paar Minuten später erst beginnen lassen konnte, weil Ordner und Balljungen der Papierflut nicht gewachsen waren. Dazu noch etwas Sternchenfeuer, das weihnachtliche Intro der Infernos konnte gefallen.

Ob das die Magdeburger Spieler auch irgendwie beeindruckt hat? Schien jedenfalls so, denn schon nach 5 Minuten leisteten sie sich einen rustikalen Rempler im eigenen 16er, was prompt zum Elfer führte. Mike S. nutzte seine exklusive Torchance so cool, dass er sich dabei noch auf des Magdeburger Torwarts Hände verließ, die den Ball an den Pfosten und danach ins Tor lenkten. Egal, es stand 1:0 und fortan kämpfte unsere Anzeigetafel genauso um die Änderung des Resultats wie die VfB-Kicker auf dem Feld. Zahlreiche Chancen wurden da erspielt, aber bis zur Pause änderte sich nichts mehr.

Von der Gegengeraden ging es nun zum Essenfassen an den Imbiss, viele Stiefel warteten im Schlamm geduldig, die Würste waren wie immer gut und schmackhaft, einfach zum Genießen, heute Note 1.

Aus der Kurve, in der Alex und sein Kumpel Rene nebst Freundin ihre Plätze hatten, sah man beide Fanblöcke total. Dafür kam an Durchsagen vom Stadionsprecher hier nix an, was sich noch als fatal herausstellen sollte. Das VfB-Spiel erschien weiter recht druckvoll, man wollte unbedingt das zweite Tor, aber doch nicht mit der notwendigen Konsequenz, da muß man eben noch lernen. Denn die Gäste kamen bald besser zum Zug, hatten eine Riesen-Freistoßchance, als jeder schon den Ball drinnen wähnte, er aber abgefälscht um Zentimeter am Pfosten vorbeistrich. Wieder Möglichkeiten für uns, aber 10 Minuten vor dem Ende ein Renn-Aufreger, zum x-ten Male pfiff der Schiri ein sauberes Tackling unseres Olafs ab. Der Freistoß links vom Strafraum sah am rechten Eck den Magdeburger Probst beim freien Direktschuß – das 1:1. Nun war man restlos bedient, denn auch der Endspurt des VfB auf diesem Sumpf brachte nicht mehr den Sieg, obwohl der Rocky wieder so eine Granate wie gegen Halle losließ, diesmal aber leider nur ans Lattenkreuz.

Man verließ gemächlich das Gelände, jeder wollte schnell bei diesem Sauwetter nach Hause kommen, als sich plötzlich ein Stau bildete, es ging nicht weiter, hunderte Fans standen buchstäblich im Regen auf der Straße.

Die Polizei hatte mit Absperrgittern, Wasserwerfer, Grünen Minnas und ihrem teils behelmten Personal eine undurchdringliche Mauer aufgebaut – hier ging nichts mehr! Lässig-arrogante Lautsprecherdurchsagen dienten dabei nicht allein der Information, sie sollten eines klar machen – hier bestimmt die Polizei, was Sache ist. Und so setzte sich der 25minütige Wehreinsatz auch fort. Den lautstarken Unmutsäußerungen der immer unruhiger werdenden Massen folgten zwei Gegensturmattacken der Grünen. Hier standen Fans aller Couleur, vom Rentner bis zu schulpflichtigen Jungs und Mädels, von Fanatiker bis Bürohengst. Keiner wurde geschont, als es für die Cops galt, ihren Riegel zu verteidigen, ein Szenario wie bei linken oder rechten radikalen Demos. Die Freundin von Alex’ Kumpel wurde dabei einfach zu Boden gerissen und fast erdrückt, es breitete sich Riesenpanik aus. Man musste beruhigend auf die Leute einwirken, denn die Cops hatten sich hinter ihrem Gitter verschanzt und heute andere Ziele – erst sollen die Magdeburger aus dem Stadion raus und von hier weggebracht sein, dann kann die Sperre weg. Damit nahm man in Kauf, dass wegen rund 600 Gästefans über zweitausend Heimzuschauer auf der Straße wie Verbrecher in Schach gehalten wurden. Ist man von der Deeskalation jetzt auf Eskalation umgestiegen, weil man der Welt draußen zeigen will, dass man sich von niederen Fußballanhängern nicht länger auf der Nase rumtanzen lassen will? Nach diesem Einsatz muß man das einfach annehmen, hier sollte Macht mit allen Mitteln demonstriert werden, fast ohne Vorwarnung. Zweimal soll der Stadionsprecher in der Halbzeit auf eine Sperrung der Pragerstraße hingewiesen haben, aber an solche Ausmaße dachte dabei keiner, und gehört hatte es auch nicht jeder.

Die Wut der Leute ging auf der Heimfahrt in der Tram dann soweit, dass jede Polizeisirene der nebenher fahrenden Busse als Riesenprovokation empfunden wurde.

 

Fazit: Wenn man als Stadt zulässt, dass frierende friedliche Fußballfans wie Straßenkämpfer von der Polizei festgehalten und schikaniert werden, ist man meilenweit von der olympischen Idee entfernt!

Unser Team kniete sich heute voll in die Aufgabe, einen Dreier auf dem Weg zum Aufstieg zu landen. Versäumte es aber später leider, mit einem zweiten Tor alles klar zu machen und kassierte prompt den Ausgleich – Fußball heute nur als Strafe für alle Beteiligten!

Reini

 

Bruno-Plache-Stadion Leipzig: 2937 Zuschauer

1:0 Sadlo (5./ FE), 1:1 Probst (80.)

 

Fotos vom Spiel