Sonntag, 10.11.2002  SV Wacker 07 Gotha  gegen VfB Leipzig  1:2 (1:2)

 

Man sollte sie nie unterschätzen, die sogenannten „Kleinen“ in der Fußball-Oberliga. Dem VfB Leipzig nutzte in Gotha auch eine schnelle 2:0-Führung nach 10 Minuten nichts, um zu einem klaren ungefährdeten Erfolg zu kommen – was man eigentlich als Dauerreisender in Sachen LOK in dieser Saison endlich mal erwarten musste.

Die Sonntagstour begann für Bluesky, Alex, Thomas und mich zum angekündigten Inferno-Zugfahrer-Termin gegen 9 Uhr auf dem Hbf. Die 98er Clubgeschwaders um Vize und Jens sorgten noch um die optimale Auslastung des WE-Tickets, dann konnte es pünktlich um 9.17 Uhr zunächst per Regio-Express nach Halle an der Saale starten. Man zählte etwa 25 Mitfahrer heute, schon hier wurden die mitgebrachten Flüssigkeitsvorräte eifrig geleert. In Halle wurde nachgetankt und umgestiegen, und ein HFC-Fan stieß zu unserem lockeren Haufen. So erfrischend die Mundpflege dank des mitgebrachten Zahnputzuntensiels für den Dachser auch gewesen sein musste, der Zug zum Alk manövrierte ihn unweigerlich zum totalen Blackout. Andere vertrugen da offenbar mehr, wie man aus dem 24-Stunden-Alkreport der beiden Lokis erfahren konnte. Und der eine filmte ihre Highlights von Disco, Kneipe und Bahntour höchst selbst auf  Videoband, mit zwei Akkus im Gepäck. Unsere Loco-Skatrunde wurde so fast zur Nebensache. Der Dachs dagegen musste später in Gotha, was wir nach gut zwei Stunden erreichten, von zwei Fans regelrecht aus dem Waggon gezerrt werden (einfach zuviel „gezerrt“), so straff war der, keine Chance auf Wiederausnüchterung! Das übernahmen nun die Sanitäter… Hinterm Gothaer Bahnhof wartete auf uns dann nicht nur eine Polizei-Hundertschaft, sondern auch eine rotweiße Tatra-T6A2-Doppeltraktion-Straßenbahn. Alle fanden gut Platz und die grünen Begleiten hielten den Spaß auch noch auf ihren Digital-Videocams fest. Über die geschwungene zum Teil eingleisige Strecke der Linie 2 ging es Richtung Ostbahnhof bis kurz nach dem Haltepunkt Leinefelder Straße, von wo uns die begleitende Ordnungsmacht zum Stadiongelände lotste. Dort deckte man sich zunächst mit Karten (6 €) und A4-Programmheften (1 €) ein, und die meisten wollten die frühe Stunde zu einem gepflegten Mittagstisch nutzen. Es musste doch eine geöffnete Kneipe in der Nähe… Aber plötzlich quietschten die Reifen der grünweißen Minibusse, die Hundertschaft hatte entschieden was gegen diese außerordentliche Betriebsamkeit der Fans. Mit forscher verbaler Gewalt und unter Androhung selbiger auch körperlich wurde man tatsächlich genötigt, den Imbiss im Stadion zu nutzen. Die heutige amtliche Ausrede lautete: „Mit dem Tragen von Fankleidung gibt man sein heutiges ausschließliches Ziel, nämlich den Besuch eines Fußballspiels, bekannt – und hat sich den hiesigen Sicherheitsmaßnahmen voll unterzuordnen. Wenn das keine Diskriminierung im eigentlichen Sinne ist, was dann.

Der Sportpark Gotha, schon diese Namensschöpfung konnte einen echten HSV-Fan echt erschüttern. Aber der traditionelle Hamburger Stadionname aus grauer AOL-Arena-Vorzeit ist hier im Thüringischen sehr gut aufgehoben, denn der Ground ist ein Schmuckkästchen. Topmoderne niedliche Tribüne, die gleichzeitig Vereinsgaststätte, Geschäftsstelle und VIP-Räumlichkeiten aufnimmt, eine Etage tiefer sind die Umkleiden mit Duschen und Whirlpool. Diese Details erfuhr der Berichterstatter übrigens nicht aus eigener Anschauung, sondern auf der Rückfahrt von einem Lindenthaler Groundhopper.

Der fest umzäunte Gästebereich umfasst die gute Hälfte der Geraden und einen Teil der Kurve, bis zur elektronischen Anzeigetafel. Hohe Betonstufen ermöglichen von überall her eine gute Sicht auf das gepflegte Rasenfeld samt der umführenden Laufbahn. Nur die 5 DIXI’s schmälerten etwas den Gesamteindruck, aber da war wohl die Kohle ausgegangen. Vom Imbissstand konnten dann gediegene Bratwürste, Rostbrätl oder frische Fischsemmeln erworben werden, an Getränken war nur Alkfreies im Angebot, eben auch Nullpromille-Bier (auf Anweisung der Stadtverwaltung!). Letzteres wurde von den meisten logischerweise verschmäht, aber es gab da auch noch „ ä scheelchen Heeßen“. Die festen Speisen wurden von der Redaktion jeweils mit „1“ bewertet, soweit sie selbst getestet werden konnten oder andere Meinungen eingeholt wurden. Anwesend übrigens auch der Herr BS, der sich neben die Trainerbank platziert hatte und schon mal am Zaun mit den Fans diskutierte.

Kurz nach dem Anpfiff des Spieles – Wetter war übrigens top mit viel Sonne – konnten wir ca. 200 Gästefans schon das erste Mal jubeln. Eine Flanke vom heute im Mittelfeld wirbelnden Alexander Blessin landete auf dem Hinterkopf von PSG – und der Ball senkte sich ins Wacker-Tor! Noch ein paar Minuten Spielchen, und wieder rauschte es in den Kasten unseres Gegners hinein – Mike S. besorgte den zweiten Treffer. Damit schien alles klar – und jeder dachte an ein Schützenfest. Aber unerklärlicherweise versandete fast jeder VfB-Angriff im Fehlpass zum Gegner, der sich dadurch selber regelrecht gezwungen sah, eigene Torerzielungsaktivitäten zu starten. Und kurz vor der Pause war dies auch von Erfolg gekrönt, als Gunnar an der Mittellinie seine liebgewordenen Dribbelkünste ausprobieren wollte, was prompt schief ging – der Gegenspieler lief mit dem Ball in die entblößte VfB-Deckung und schob zum Anschlusstreffer ein. Die Tribüne drüben tobte, der heimische Fanblock geriet noch mehr ins Trommeln und Anpeitschen.

Damit war klar, dies wird wieder ein Zitterspiel, und die zweite Halbzeit bestätigte auch unsere Befürchtungen. Zwar wollte das VfB-Team den dritten Treffer, aber man scheiterte an den eigenen Fehlern und Ungenauigkeiten. So kamen die wackeren Gothaer noch zu ein paar Fast-Torchancen, zum Glück reichte es am Ende aber wenigstens für uns zu den 3 lebenswichtigen Punkten.

Die Tram wartete dann schon auf uns und wohlbehütet von der Thüringischen Polizei erreichte man wieder auf direktem Schienenweg den Bahnhof. Dort hatte zum Glück noch ein Kiosk offen und man konnte sich gut eindecken. Der Zug nach Halle hielt genau mit seinem Erste-Klasse-Abteil vor uns und alles belegte die entsprechenden Plätze. Bis die begleitenden Cops alle wegscheuchten, um es sich selber bequemer zu machen. Man hielt es daneben noch bis Erfurt aus, nicht ohne sich ein paar Geschichten des Spartak-Fan anzuhören. Der wollte heute noch zu seiner Verwandtschaft und dazu ab Weimar 7 km durch die Pampa laufen, als Zimmermann hat er wohl schon von Berufs wegen ziemlich gute Kondition.

In Großkorbetha hieß es einletztes Mal Umsteigen, und auf die Minute genau erreichte man um 19.07 Uhr den Leipziger Hauptbahnhof. Hier waren die Jubelfeierlichkeiten der Promenaden-Einkaufsmischung noch in vollem Gange…

 

Fazit: Punktemäßig sind wir immer noch voll im Soll – aber die Unzulänglichkeiten im Spielbetrieb sind sowohl sportlich in der Torausbeute als auch wirtschaftlich beim klaffenden Finanzloch nicht von der Hand zu weisen!

Reini

 

 

Volkspark-Stadion Gotha: 628 Zuschauer

0:1 Gunkel (2.), 0:2 Sadlo (10.), 1:2 Schwesinger (43.)

 

Fotos vom Spiel