Samstag, 12.10.2002  FC Sachsen Leipzig gegen VfB Leipzig  1:0 (0:0)

 

Das Derby – immer wieder elektrisierend für die Fans beider Lager, soll es doch darüber entscheiden, wer die aktuelle Nummer 1 in Leipzig sein soll. In der heißen Phase eine Woche zuvor ging es um Rasenschändung, Kartenverknappung und Ordneranzahl, wie immer hochgepuscht von beiden Seiten. Statistisch gesehen stehen die Probstheidaer immer noch an der Spitze, was die Derbysiege angeht – aber für das heutige Spiel half das wenig. Mittlerweile nimmt man sich sportlich relativ wenig, ist der Spielausgang eher von Fehlern und Zufälligkeiten abhängig – keine Mannschaft kann als echter Überflieger bezeichnet werden. Und damit werden wir wohl leben müssen, über längere Zeit. Es sei denn, es geht aufwärts – in der Klassenzugehörigkeit…

Man traf sich zur gemeinsamen S-Bahn-Hinfahrt am LE-Hauptbahnhof in der dreizehnten Tagesstunde, das EKZ wimmelte nur so von blauweißen und blaugelben Fanartikelträgern, keine Spur von Grünweiß, wie immer halt, nichts für Lebensmüde oder so.

Im S-Bahnabteil verwickelte die nette dralle Schaffnerin uns in ein Gespräch über das Nutzen von Erste-Klasse-Abteilen und das heutige offiziell gestattete Schwarzfahren nach Leutzsch – und ich hatte bei der schwungvollen Wendeltreppe zum Obergeschoss schon an ein neues Modernisierungskonzept der Deutschen Bahn gedacht. Nächstes Thema nun der 64MB-Chip der Digicam vom Randleipziger – der Chip bestand auf Formatierung, was die HP-Camera stetig ablehnte, dies ist wohl ein Garantiefall. Nutzte uns heute allerdings wenig, das Bilderkontingent musste sich also auf das inhaltlich Wesentliche und technisch intern speicherbare beschränken.

Am Leutzscher Bahnhof erwarteten uns schon die Grünen, in geschlossener Formation marschierte man zum Stadion. Doch hier stellte sich uns schon die erste Schikane in den Weg, eine Security-Schleuse, die nur Leute mit Eintrittskarten durchließen, alle schön einzeln, Sturm und Drang vorprogrammiert („Beschwert Euch doch beim Verein, wenn’s Euch nicht passt!“). Die übliche Kontrolle gehörte dazu, ganz gründlich, bei mir zumindest. 100 Meter weiter noch mal in Stichproben das gleiche, dann sah man die Kassenhäuschen, mit „Karten ausverkauft!“-Schildern. Hier gab es die A4-Programmhefte zu 1 €, nächste Schikane beim Wechselgeld, es gab schön abgezählte 10 cent-Stückchen zurück.

Vor dem Eingang musste man wählen: Hinterm Tor oder kurze Gerade, Wechsel nach Irrtum wohl ausgeschlossen. Sehen wollte man vor allem die angekündigte blaugelbe Choreo, deren Macher von Inferno gerade beim Ausladen der in mühevoller Wochenarbeit hergestellten Teile beschäftigt waren. Wir schossen derweil draußen noch ein paar Fotos mit Loco-Fahne, das Teil sollte danach drinnen am Innenzaun befestigt werden. Ein aufmerksamer Fan wies uns da aber auf ein teuflisches Medium am mehrfach lackierten Zaun hin – Maschinenöl! Soweit geht der Hass nun schon, dass selbst Fanclubbanner auf diese Art geschädigt werden sollen. Reiht sich nahtlos ein in die Unkaut-ex-Rasenaktion, wer immer da dahinter steckte. Übrigens sollen auch die Türen der Dixi-Häuschen mit weißem Fett überzogen worden sein, wie kindisch wird das denn noch…

Kurz nach 13 Uhr hatte man also schon seinen Stehplatz in der Geraden gefunden, aber es dauerte noch bis 14.10 Uhr, ehe das Spiel angepfiffen wurde, man wollte hier noch die allerletzte S-Bahn abwarten, laut aufgeregtem Stadionsprecher. Beim Auflaufen der beiden Teams entrollten sich auf beiden Seiten die angekündigten Transpi-Rollen, auf unserer Seite stand in blaugelb „Lok ist diese Stadt“, in Anspielung auf die Stadtfarben. Gegenüber wollte man per Aufschrift den eigenen Spielern Beine machen und den „Derbysieg“ erzwingen. Auffällig am Norddamm, dass sich wohl sämtliche Bandensponsoren für dieses Spiel abgemeldet hatten, denn deren Werbetafeln waren allesamt verdeckt.

Den anfänglichen Leutzscher Anfangsdruck erwiderte der VfB mit guten Kombinationen, auffällig aber schon hier, dass vorne kaum Chancen herausgespielt wurden. Obwohl Trainer Dörner sich der Fanmasse wohl gebeugt hatte und Mike Sadlo von Anbeginn brachte. War aber richtig, denn der Mike braucht die Spiele für sein Selbstbewusstsein, ganz wichtig für intuitive Torjäger. Das wird schon noch, heute aber leider nicht. Nach 10 Minuten stoppte das Match, der Eckball für die Sachsen wurde begleitet von erstem Rauch und vereinzelten Raketen. Aber noch konnte es schnell weitergehen und bis zur Pause hatten die einen ein paar mehr Chancen, wir dagegen nur glaube ich zwei, drei.

Die Bratwurst sah sehr gut aus - lang, kross, braun. Aber wer hineinbiss, dem verschlug es den Geschmack - lasch, lau, medium. Dazu noch einen harten Toastbrotkanten, nein, das gab ne glatte 4 Minus von unseren Testern!

Nach der Pausenviertelstunde legten sich beide Mannschaften noch mal richtig ins Zeug, jeder wollte die Führung. Und als Mike S. auf der rechten Seite losmarschierte, passierte es auch. Leider verlor er das Leder, und der folgende Konter sah den Leutzscher Mittelfeld-Strategen Cramer am langen Pfosten von Gunnars Tor alleine auftauchen, und der hatte keine Mühe einzulochen – 0:1. Verdammt, wieder der Rückstand, hört denn das nie auf!? Mit aller Macht stemmte sich unser Team nun gegen die Niederlage, Trainer Dörner brachte den dritten Stürmer, Alexander Blessin für den unsicheren Matthias Großmann, was einiges brachte.

Zunächst donnerte es aber aus den Besucherrängen los, Rauchbomben zündeten und Bengalos wurden aufs Spielfeld geschossen – Spielabbruch. Dazu weiter unten mehr.

Aber irgendwann hatte sich alles halbwegs beruhigt, und das Spiel konnte fortgesetzt werden.

Trotz großen Einsatzes schaffte es aber unser Team nicht mehr, einen Treffer zu landen, obwohl der Gegner noch knapp 20 Minuten nur zu zehnt auf dem Platz stand. Es fehlten die klaren Spielzüge, nur mit Hoch und Rein in den Strafraum ohne Kopfballspezi Gunkel wurde das nichts. Am Ende jubelte der Norddamm, man hatte genug und schaute, dass man schnell von der „Stätte des Grauens“ davon kam. Zum Glück gestaltete sich die Rückfahrt mit der S-Bahn schnell und problemlos, zum Feiern hatten diesmal die Anderen ihren Grund…

Reini

 

 

Weitere Anmerkungen dazu…

 

Derbytime:

Es ging hart zur Sache, schon in der Vorbereitung in der Vorwoche. Kein echter Favorit, weil beide Mannschaften ihre Spiele zuvor ja vergeigten. Die Tagesform musste entscheiden, ein einzelner Fehler in der Abwehrorganisation reichte für den Gegner.

 

Mannschaft:

Das VfB-Team gab alles, überzeugte kämpferisch, fand aber keine großen spielerischen Möglichkeiten, um genug Chancen für die beiden Torjäger Marcetic und wieder M. Sadlo herauszuarbeiten. Oft versandete alles im Abseits, manchmal auch wegen des schwachen Schiri-Assis. Die Abwehr schien souveräner als gegen Plauen, vielleicht auch weil Wackelkandidat Großmann heute weiter vorn agierte. Insgesamt wurde zuwenig Druck entwickelt, selbst gegen 10 FCS-Spieler gelang es nicht, noch wenigstens den verdienten Ausgleich zu erzielen. Nervlich war das Team eigentlich voll auf der Höhe, bis auf wenige Ausnahmen (Jule, Freund).

 

Trainer:

Hans-Jürgen Dörner musste wegen der beiden Sperren von Gunkel und Hannemann auf wichtigen Positionen umbauen. Gab endlich Mike Sadlo die ersehnte Vollzeit-Chance, die nicht die Ausnahme bleiben sollte. Brachte nach dem Rückstand mit Alex Blessin den von Fans beim letzten Ratstreffen geforderten dritten Stürmer – ein guter Anfang einer vertrauensvollen Partnerschaft? JanLE wird es beim nächsten Training selber testen können…

Wenn bei Dixi die Verbissenheit um den sportlichen Erfolg einer allgemeinen Lockerheit im Umgang mit der Materie Fußball und seinen Vereinsstatisten weicht, sollte es leichter werden für alle – im Interesse des Erfolges!

 

Fans:

Die VfB-Fans wurden wieder separat in die südöstliche Ecke des Sportparkes geleitet, dabei reichten die reservierten 1.600 Stehplätze bei weitem nicht aus. Also tauchten sowohl auf der Dammsitzgeraden als auch vereinzelt auf der Tribüne VfB-Anhänger auf.

Es fand wie üblich ein verbaler Gedankenaustausch beiderseits in wie immer volkstümlicher Mundart statt, die Choreografien beider Lager waren mit viel Enthusiasmus und Arbeit angefertigt worden, wurden aber manchmal vom Winde verweht.

Am Dammsitz entwickelte sich während der Spielunterbrechung wegen der fehlenden zäunlichen Trennung zwischen LOK- und Chemie-Fanatikern eine wilde Schlägerei, an der sich später auch die behelmten Einsatzcops beteiligten, mit wechselndem Frontenverlauf. Insgesamt dauerte der Abbruch knapp eine halbe Stunde, für die anwesende fotografierende Presse ein gefundenes Fressen, hatten sie doch von Rasen aus die beste Aufnahmeposition. Dabei erschienen im VfB-Block einige Transparente und Rufe mit schon arg faschistischen Inhalten., die wohl dem rechtsextremen Rand der Leipziger Fanszene genauso zuzurechnen sind wie dem angereisten Mob aus der Hauptstadt. Man sucht eben eine geeignete Plattform und ein solches Derby lässt da leider viel zu, in Probstheida allein wurde so was bisher noch nicht sichtbar.

 

Sicherheit:

Mächtiges Aufgebot von 4 Hundertschaften mit Hubschraubern und einer Pferdestaffel. Dazu die Security-Leute, die aber meistens gelangweilt wegschauten (persönlicher Eindruck). Die legendäre engstirnige Denkweise der FCS-Obrigkeit wollte es so, dass Fans beider Lager nebeneinander auf dem Dammsitz sitzen durften. Als die Lage im Stadion eskalierte, gingen besonders aggressive Fans von beiden Seiten aufeinander los. Erst nach vielen Minuten und totalen Angstzuständen der benachbarten Tribünenbesucher schritt eine Copstaffel dazwischen, die sich später aber wieder total heraushielt. Angeblich wollte man nicht weiter provozieren, wer’s glaubt…

 

Aussichten:

Da Jena sein Sonntagsspiel in Plauen sehr zu unserem Unwillen gewonnen hat, sind wir die Spitze los. Jetzt heißt es Ärmel aufkrempeln und wieder zu druckvollem Angriffsfußball zurückfinden. Und man muß - wie von Mike Sadlo im Interview gesagt - weiter an seine Aufstiegs-Chance glauben. Es wird ein steiniger Weg, anfangs sicher mit weniger Besuchern im Stadion – aber da muß man nach so einer enttäuschenden Derby-Niederlage jetzt durch!

 

Reini

 

A.-Kunze-Sportpark Leipzig-Leutzsch:  8062 Zuschauer

1:0 Cramer (48.) – Rot: Müller (FCS/75.)

 

Fotos vom Spiel